LOLA KIRKE ist zunächst mal eine britisch-amerikanische Schauspielerin, die – zusammen mit ihrer Schwester JEMIMA – mit Rollen in Indie- und Arthouse-Filmen und TV-Serien (zumindest in den USA) eine gewisse Popularität erlangte, welche dazu führte, dass sie, als sie sich entschloss, auch als Musikerin tätig zu werden, bereits auf eine treue Fanbasis aufsetzen konnte. Die Showcases zu ihrer Debüt-LP „Heart Head West“ waren in ihrer New Yorker Homebase 2018 jedenfalls Wochen im Voraus ausverkauft.
Musikalisch hatte sich LOLA dazu entschieden, ihre Songs in einem zunächst rauen, dann gesitteten Country- und Americana-Setting anzurichten. Das schien auch sehr gut zu funktionieren, denn als Songwriterin besitzt sie ein sicheres Gespür dafür, die klassischen Country-Themen aus weiblicher Sicht mit feministischen Flair zu interpretieren und der raue Touch insbesondere ihrer ersten EP von 2016 verlieh ihren Songs zugleich eine notwendige Erdung und Credibility.
<center><iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/ixdLyJhg22A" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe></center>
Ihr selbst genügte diese Entwicklung indes nicht, denn während ihre Laufbahn eigentlich in die Outlaw- und Alt-Country Richtung zu deuten schien, eröffnete sie, dass sie ihr musikalisches Herz eigentlich an die 80er verloren habe. Und in dieser Hinsicht richtete sie dann auch konsequent ihren zweiten Longplayer „Lady For Sale“ aus.
Für die Country-Musik bedeutet das natürlich, dass LOLA damit Bezug auf eine Phase nahm, in der sich das, was heutzutage als kommerzielle Country-Musik – also Country-Pop – bezeichnet wird, gerade erst entwickelte. Das führt musikalisch dazu, dass ihre neuen Songs in einem fast schon ulkig anmutenden, synthetischem New-Wave- und Disco-Pop-Setting mit flirrenden Synthies, elektronischen Beats und jeder Menge Digital-Effekten angerichtet wurden, in dem lediglich eine mäandernde Steel-Gitarre als Alibi für den Country-Aspekt herhalten muss.
Auf diese Weise wird der angestrebte Empowerment-Gedanke, den die Musikerin anstrebt, eigentlich nur noch durch die Lyrics und die visuelle Umsetzung in den begleitenden Videos deutlich.
Der Titeltrack „Lady For Sale“ zeigt LOLA etwa im Jane-Fonda-Aerobics-Modus.
<center><iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/9pXUTsqZ5NI" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe></center>
Nun mag JANE FONDA ja vielleicht eine feministische Ikone ihrer Zeit gewesen sein – eine Country-Musikerin war sie indes nicht.
Der leicht selbstironische Empowerment-Touch der Lyrics sowie der teilweise ernsthafte Background (wie z.B. in dem mit COURTNEY MARIE ANDREWS geschriebenen „Broken Flowers“) wird somit durch den überbordend fröhlichen Bubblegum-Sound der Scheibe (der zum Aerobic Modus ganz gut gepasst hätte) dann auch auf gewisse Weise konterkariert.
So fröhlich war die Country-Musik der 80er-Jahre ja nun auch wieder nicht. Kein Wunder, dass die Indie-Label, denen LOLA KIRKE diese Scheibe dem Vernehmen nach andiente, dankend ablehnten.
<center><iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/JsXdRIuo9Gk" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe></center>
FAZIT: Als musikalischen Partner für LOLA KIRKEs zweiten Longplayer sprang AUSTIN JENKINS, der Gitarrist der Rockband WHITE DENIM ein, der sich zuletzt auch als Genre-übergreifender Produzent (z.B. für den Neo-Souler LEON BRIDGES oder KHRUANGBIN) einen Namen gemacht hat. Auch als Co-Autor ist er an allen Songs beteiligt und zeichnete sich wohl ebenfalls für die musikalische Umsetzung Visionen der Musikerin verantwortlich. Dabei leistete er ganze Arbeit und ließ die 80er-Jahre in deren eigentlich unseligster Phase musikalisch wiederauferstehen. Schade eigentlich – denn obwohl die Songs auf „Lady For Sale“ nicht ganz die Qualität ihrer älteren Arbeiten haben, hätte Jenkins ihnen diese Art produktionstechnischer Zeitreise wirklich ersparen können.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.07.2022
Lola Kirke
Austin Jenkins
Third Man Records
36:04
29.07.2022