Eine überraschende musikalische Wende jagt auf „Busy Dreamers“ (Bei wem werden da nicht Erinnerungen zu den „Army Dreamers“ von KATE BUSH wach?) die nächste. Und alle bereiten Freude, wenn man sich in der Musik seinen weit offenen Über-den-Tellerrand-Blick bewahrt hat, der vom Art Pop über Prog bis Folk und Jazz reicht. Denn all das erwartet einen auf diesem Album von MARKUS APITIUS, der noch dazu als Sänger so einige stimmliche Ähnlichkeiten zu PETER HAMMILL, dem frühen BOWIE und 'h' (Steve Hogarth) von MARILLION aufweist. Auch wenn Apitius' oft zerbrechlich klingender Gesang manchmal tatsächlich flatternd wegbricht und sich in den vielfarbigen Klangwelten, die zudem immer wieder die Siebziger oder Psychedelisches, womit wir in den Sechzigern wären, und Electro-Poppiges der Achtziger streifen, während „Play With Fire“ erst orgelnd THE DOORS öffnet, um dann fast wütend, seltsam kakophonisch anmutenden Gesang mit Jazz- und E-Piano-Klängen vereint, welche ganz entspannt die Tür zuwerfen und die erste LP-Seite beenden.
Eröffnet wird die LP-B-Seite dann mit „Going Out“, einem ein positives Pandemie-Gefühl vermittelnder Song, den in dieser Art auch ein BRIAN WILSON für das 1966er „Pet Sounds“-Album der BEACH BOYS hätte schreiben können. Auch das folgende „Olive Green“, ein 'kriegerisches' Musikstück, das sich mittendrin in schweren Psyche-Gewittern entlädt, hätte man darauf unterbringen können.
Besonders dieser schwer greifbare Gesang ist es, der sich einem sofort einprägt und dem man fast zwanghaft genauer zuhört. Ideale Grundlage für die Texte (die leider der LP nicht beiliegen, aber <a href="https://popsong.de/fileadmin/Dateien/pdf/Lyrics_Busy_Dreamers.pdf" target="_blank" rel="nofollow">hier</a> zu finden sind) eben, welche die eigenartigsten Geschichten erzählen, wenn zum Beispiel im Album-Opener „Waiting“ sich Clint Eastwood mit einem leeren Stuhl unterhält oder am Ende des Albums sich die Milliardäre in „The New Kingdom“ zum Herrscher der (neuen) Welt in ihren 'Castles in space' krönen, dass selbst die gute Elisabeth nach ihrem 70. Thronjubiläum ziemlich bedeppert von der Erde aus in ihrer grünen Wäsche dreinblickt.
„Busy Dreamers“ ist definitiv kein Album, das – wie heutzutage leider durch die Digitalisierung immer stärker ausgeprägt – wie ein architektonisches Musik-Werk am Reißbrett entworfen klingt. Nein, hier setzt sich ein Musiker ans Klavier (das für „Busy Dreamers“ insgesamt scheinbar wichtigste Instrument) und komponiert, singt und textet drauflos, um am Ende wieder aufzustehen und etwas Bleibendes komponiert zu haben, das er dann mit den ihm umfangreich zur Verfügung stehenden Mitteln vollendet. Die Stimmungen sind dabei so unterschiedlich wie seine Gefühlswelten, die sich zwischen kunterbunt und bedrückend grau bewegen, wobei am Ende mit dem bitterbösen „The New Kingdom“ selbst ein ROBERT FRIPP und seine Loop-Affinität Beachtung findet, auch wenn diese durch das Aufschichten seltsamer Stimmen verwirklicht wird.
Ähnlich 'verrückt und unberechenbar' wie „Busy Dreamers“ klangen auch die letzten, sich jeglichen Vergleichen entziehenden Alben der CRASH TEST DUMMIES, die hier (allerdings vom tiefen Roberts-Gesang abgesehen) ausdrücklich als Vergleich herhalten dürfen, was diesen Kölner Ausnahmemusiker wirklich adelt. Ein Album, das spätestens nach dem dritten Durchlauf Suchtpotenzial in sich trägt – oder wie's so schön in „The Last Band“ heißt: „Sing like is the last time / before you take a long brake“.
Übrigens zählen zu den absoluten Lieblingssongs von MARKUS APITIUS „Late Night“ von SYD BARRETT, „See Emily Play“ von PINK FLOYD, „The Crystal Ship“ von THE DOORS, „God Only Knows“ von THE BEACH BOYS, „Mojo Pin“ von JEFF BUCKLEY und jede Menge BEATLES-Songs. Wer diese Titel und Bands ebenfalls auf seiner persönlichen Hit-Liste stehen hat, wird in Kürze garantiert auch „Busy Dreamers“ für sich entdecken. Manchmal muss man nur richtig suchen – oder einfach dieser Kritik vertrauen...
FAZIT: Das musikalische Multitalent aus Köln, MARKUS APITIUS, legt mit dem großartig produzierten „Busy Dreamers“, das speziell auf Vinyl ein echter Hochgenuss ist, sein bereits siebtes Album vor und überzeugt auf ganzer Linie, weil er all denjenigen Freude bereitet, die sich einen weit offenen Über-den-Tellerrand-Blick bewahrt haben, der vom Art Pop über Prog bis Folk und Jazz reicht. Das Album ist aus jeglicher Zeit gefallen und wird dadurch zugleich zeitlos.
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.06.2022
Markus Apitius
Markus Apitius
Markus Apitius
Popsong.de
35:50
15.04.2022