Wie kann man sich als Musiker weiterentwickeln, wenn man gerade eben erst mal alles gesagt hat – wie das der Neuseeländer MARLON WILLIAMS 2018 mit seinem zweiten Werk, dem Trennungsalbum „Make Way For Love“, und der anschließenden Tournee getan zu haben glaubte?
Nun: Man sucht sich neue Fixpunkte, wirft sicher geglaubte Erkenntnisse über Bord und öffnet sich in kollaborativer Weise und ohne auf das Erreichte dezidiert aufzusetzen.
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Genau das tat WILLIAMS während der hereinbrechenden Pandemie – zog sich nach Neuseeland zurück, konzentrierte sich auf sein familiäres Umfeld, widmete sich seinen Hobbys, wie dem Studium der Maori-Kultur oder Basketball, suchte sich neue musikalische Mitstreiter und fand auch ein neues Thema für sein drittes Album: Die verschiedenen Aspekte der Maskulinität nämlich. Dabei muss gleich gesagt werden, dass „My Boy“ weder ein Männerschmerz-Album, noch ein Male-Empowerment-Manifest geworden ist.
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Vielmehr ging es ihm um „die Erforschung der Vitalität und des sozialen und kulturellen Werts, der dem menschlichen Erbe in dieser Hinsicht beigemessen wird“. Oder anders ausgedrückt: Williams beleuchtet die verschiedenen Aspekte des 'Mann-Seins' selbstironisch, ohne mit erhobenem Zeigefinger rumzulaufen, zu jammern oder irgendwelche Wertungen zu definieren. Das kann dann auch mal in Fantasy-Settings wie dem von der TV-Serie „The Americans“ inspirierten Song „Thinking Of Nina“ geschehen.
Das eigentlich Interessante ist dabei, wie Williams das Ganze musikalisch löst – denn geradezu befreit drückte er auf den Reset-Knopf und ließ mit der Thematik auch alles bisher musikalisch Dagewesene hinter sich.
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FAZIT: Um auch auf der musikalischen Seite zu neuen Erkenntnissen kommen zu können und die bisherigen Americana- und Country-Roots vergessen zu machen, verzichtete MARLON WILLIAMS darauf, seine neuen Song mit seiner Band THE YARRA BENDERS einzuspielen, sondern tat sich für die Hälfte der Recording-Sessions mit seinem Songwriterkollegen MARK „MERK“ PERKINS zusammen und für die andere Hälfte mit Produzent TOM HEALY und einer neuen Studioband in NEIL FINNs Roundhouse-Studio, wobei dann auch noch Gäste hinzustießen. Das Ergebnis ist dann eine erstaunlich lebendige, spielfreudige, überraschend arrangierte, von positiven Vibes, mitreißenden Refrains und schön ausformulierten Melodiebögen getragene organische Pop-Scheibe namens „My Boy “ geworden, auf der es einen 'ganz neuen' Marlon Williams zu entdecken gibt.
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.09.2022
Cass Basil
Marlon Williams, Mark „Merk“ Perkins
Marlon Williams, Mark „Merk“ Perkins, Tom Healy
Paul Taylor, Elroy Finn
Dead Oceans
35:40
09.09.2022