Als bisher Unbedarfter, die Musik von MARQUIS betreffend, kommt man mit ein bisschen Recherche darauf, dass die Band ursprünglich als MARQUIS DE SADE Anfang der 80er Jahre wenigstens in ihrer Heimat Frankreich einen gewissen Kultstatus innerhalb der Post-Punk/Alternative-Szene innehatte.
Nach langer Pause fand sich die Band 2017 wieder zusammen, um ein neues Album aufzunehmen, doch dann nahm sich während der Aufnahmen Sänger Philippe Pascal das Leben. Die Begleitumstände dieses Albums sind also alles andere als rosig. Dass sich die restlichen Bandmitglieder trotzdem dazu entschieden, weiter zu machen, zeugt von einem gewissen Kampfgeist. Die Verkürzung des namens zu MARQUIS wird als Respektbekundung an das Ableben ihres Sängers kommuniziert und ist so einleuchtend wie passend, markiert sie doch einen gewissen Neuanfang.
Musikalisch ist „Aurora“ zunächst sehr lebensbejahend, ja beinahe lebensfroh. Vor dem Hintergrund der Entstehung ist das aber mehr als verständlich. Hier tritt eine Band die Flucht nach vorne an, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken. Dementsprechend positiv fällt auch die Grundstimmung aus.
„More Fun Before War“ ist ein sehr geradliniger Einstieg in das Album, besitzt aber bereits diese leichtfüßige Energie, die sich, auf die eine oder andere Art, von Anfang an durch das Album zieht.
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Im weiteren Verlauf sorgen verschiedene Gastsänger für diverse Farbtupfer. Marina Keltchewski gibt mit ihrer warmen Stimme in „Brand New World“ glücklicherweise die grobe Richtung für den Song vor, denn ohne den Gesang würden die klanglichen Ausflüge des Saxofons und die mitunter schrägen Gitarren doch sehr zusammenhangslos klingen. So hangelt sich die Musik aber immer erkennbar am Gesang entlang und bleibt dadurch nachvollziehbar.
Ein echtes Highlight stellt dagegen „Soulève l'horizon“ dar. Die Musik ist leichtfüßig, wirkt beinahe verträumt und strahlt dabei etwas unbedingt Positives aus. Die warme Stimme von Dirk Polak (Sänger der ähnlich gelagerten MECANO) passt sehr gut zum lockeren Sound der Musik. Der Song klingt nach einer Anleitung zum Vor-sich-Hinträumen. Augen zu und ab dafür. Die Gedanken dürfen abschweifen, ja sollen es sogar.
Das aufrüttelnde „Flags of Utopia“ ist ein weiteres Highlight. Einerseits locker groovend, haben die Gitarren (besonders in den Solos) etwas Kratziges, was für einen guten Kontrast sorgt, der vom Saxofon am Ende zusätzlich verstärkt wird. Der eigentliche Aufhänger aber ist die warme Stimme von Simon Mahieu, der die eindringliche Botschaft des Textes perfekt an den Hörer bringt. Der nahtlose Übergang in „Glorie“ passt sehr gut, denn die Nummer klingt wie der schrägere Bruder des vorherigen Songs und baut die Energie immer weiter auf, kratzt dabei aber auch immer wieder mal an der Grenze zum Nervigsein.
Das melancholische „Zagreb“ und der instrumentale Abschluss „Le voyage d'Andrea“ verleihen „Aurora“ einen nachdenklichen Schluss. Hier werden die Fragen, welche bereits in den vorherigen Songs aufgetaucht sind, erneut reflektiert. Die Liebeserklärung an eine unbekannte Person, die der Text von „Zagreb“ darstellt, passt insofern perfekt als textlicher Abschluss für dieses Album, weil es zusammenfassend die Hoffnung auf ein positives Ende suggeriert. Ganz nach dem Motto: „Es gibt etwas, wofür es sich zu leben lohnt.“ Womit sich auch der Kreis zu den tragischen Umständen, unter denen das Album entstand, schließt.
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FAZIT: Es ist nicht (nur) die Musik die dieses Album stark macht, zumindest nicht in erster Linie. Es ist die positive Energie, welche sich von Anfang an durch die Songs zieht. MARQUIS haben auf „Aurora“ ihren Wille zum Weitermachen vertont. Die Songs sind trotz der mehrdeutigen und mitunter pessimistisch interpretierbaren Inhalte von einer positiven Energie durchflutet, die immer wieder von Aufbruch zeugt. Weg vom negativen Kreislauf der Vergangenheit, hin zu einer positiven Zukunft. Diese Haltung ist grundsätzlich fruchtbar und derzeit wohl wichtiger denn je.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.01.2022
Thierry Alexandre
Simon Mahieu
Frank Darcel, Ivan Julian, Kobe Dupont
Yann Penn, Ad Cominotto
Eric Morinière
James Chance, Daniel Paboeuf (Saxophone)
LADTK
44:00
19.03.2021