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NOXe: Finders Keepers

Stil: Indie, Punk, Noise, Thrash, Riotsoul

Cover: NOXe: Finders Keepers

Ein Album, das hauptsächlich an nur einem Samstag im Juli 2021 aufgenommen wurde, verbreitet bei dieser Tatsache schonmal die Vermutung, dass die Band sicher mit urwüchsigem Garagen-Rock liebäugelt, der auch heutzutage noch mehr auf Authentizität als auf musikalische Perfektion setzt. Und genau diese Vermutung bestätigen NOXe aus Potsdam, die aus der Punk/Hardcore-Band COMPLETE CRAP hervorgingen, auf ganzer Linie mit ihrem Album „Finders Keepers“.

Doch zuvor noch ein paar Worte zu dem kompletten Schwachsinn, als eine noch gänzlich unbekannte Band eine LP herauszubringen, die zwar als LP 'getarnt' erscheint, aber in 45er-Geschwindigkeit aufgenommen wurde und nicht ein einziger Hinweis auf der LP-Hülle oder der LP selber zu finden ist, dass dieses Album in ebendieser Geschwindigkeit abgespielt werden muss. Denn auch wenn man „Finders Keepers“ mit 33 Umdrehungen hört und sich fragt, warum die Sängerin eine so tief-maskuline Stimme hat und die Sounds so gruselig dumpf in die Länge gezogen klingen, muss man nicht gleich schnallen, dass die Scheibe einfach nur zu langsam ihre Runden zieht. Denn heutzutage wird gerade im Bereich des Garagen-Rock oder Hardcore und Noise sowie Thrash so viel Schrott auf den Markt geworfen, dass ein Haufen ähnlich klingt wie „Finder Keepers“ in 33er-Umdrehungszahl.

NOXe jedenfalls, die sich unmittelbar nach der Auflösung von COMPLETE CRAP im Jahr 2019 gründeten, scheinen überhaupt mit viel Sinn für abgründigen Humor – Oder ist das doch schon eine gehörige Portion Zynismus? – zur Sache zu gehen, wenn sie <a href="https://noxe13.bandcamp.com" target="_blank" rel="nofollow">unter ihrer Bandcamp-Adresse</a> den, wie sie es nennen, 'Riotsoul' mit diesen Worten beschreiben: „Direkt aus den Katakomben unter dem preußischen Disneyland sind sie gekommen, um den untoten Kaiser zu töten und die deutsche Bigotterie zu starten.“

Mitunter muss man bei solchen mörderischen Anschlägen, wohl auch seine Angriffsziele auf die Nervenstränge der Hörer richten und mit manchmal schrägem, punkigem Gesang, etwas zu clean abgemischtem Sound und noisigen Riffs eine Richtung vorgeben, die eben tatsächlich mitten in die Garage saust, ohne dabei das Garagentor zu öffnen. Und selbst wenn dieses Debüt-Album nach einem selbstveröffentlichten Demo-Tape von NOXe erscheint, so verbreitet auch dieser Longplayer, der mit noch nicht einmal 30 Minuten Laufzeit arg kurz ausgefallen ist, eine gehörige Portion Demo-Charakter.

Vieles von der Musik auf „Finders Keepers“ erinnert jedenfalls deutlich an die Zeit, als Ende der 80er-Jahre die DDR unterging und sich viele junge Bands im Punk-, Noise- und Hardcore-Bereich unter dem Begriff 'die anderen bands' durch die plötzlich immer stärker eintretenden Freiheiten ihr eigenes Spielbein auf den verkrusteten Zonen-Boden bekamen und solche Namen wie SANDOW oder HERBST IN PEKING, DIE SKEPTIKER und EXPANDER DES FORTSCHRITTS oder eben FEELING B, aus denen schließlich zum Großteil später RAMMSTEIN hervorgingen, hießen.

Das alles klang damals angenehm ungezwungen und amateurhaft, aber leidenschaftlich – genau diese Beschreibung trifft heute auch auf NOXe zu. Freude zu neugierigen Experimenten, Mut zum klischeefreien Unperfekten plus bissigen, angriffslustigen Texten (gegen Rassismus, Hate Speech, Ausländerfeindlichkeit usw.), die der LP als zusätzliches Textblatt beiliegen, sowie Retro-Liebe zum Vinyl und sogar einer als Hiddentrack versteckten Cover-Version (Welche, wird hier nicht verraten… Oder… Ach, warum nicht, man würde sowieso bei NOXe wahrscheinlich nicht von selbst darauf kommen: Es ist die 80er-Jahre-Electro-New-Wave-Pop-Nummer „I Ran (So Far Away)“ von A FLOCK OF SEAGULLS) machen die Potsdamer Band und ihr Debüt-Album aus – und das ist für den Anfang schonmal eine ganze Menge.

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FAZIT: Aufgenommen an nur einem Tag im Juli 2021 hauen NOXe, eine junge Band aus Potsdam, mit ihrem Debüt-Album „Finders Keepers“ – das unbedingt mit 45 Umdrehungen auf dem Plattenspieler laufen muss – eine gitarrenlastige Garage-Rock-Scheibe aus Postpunk, Avantgarde, Surf und Wave raus (Sie selber nennen es übrigens 'Riotsoul'), die noch dazu englische Texte (mit ein paar deutschen und italienischen Satz-Fetzen) enthält, die sich politisch einmischen und von einer, mitunter auch aggressiv klingenden, Sängerin vorgetragen werden. Bleibt abzuwarten, wie die (Musik-)Geschichte um NOXe weitergeht und beim nächsten Anlauf mit 33er-Geschwindigkeit klingt!

Punkte: 8/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.02.2022

Tracklist

  1. <b>Seite A</b> (13:15):
  2. Anglerfish (1:57)
  3. Finders Keepers (2:12)
  4. Future Trial (2:29)
  5. Deceit (3:10)
  6. Deadly Era (3:27)
  7. <b>Seite B</b> (14:51):
  8. Poor Snip (2:45)
  9. Françoise (2:17)
  10. No Art (3:47)
  11. Outran (6:02)

Besetzung

  • Bass

    Erik

  • Gesang

    Claudi, Stolle, Erik

  • Gitarre

    Stolle

  • Keys

    Claudi

  • Schlagzeug

    Xris

Sonstiges

  • Label

    Eigenvertrieb

  • Spieldauer

    28:06

  • Erscheinungsdatum

    25.02.2022

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