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Nighthawks: Citizen Wayne – Re-Issue auf Vinyl

Stil: Progressive- und Nu-Jazz

Cover: Nighthawks: Citizen Wayne – Re-Issue auf Vinyl

Welch ein Anfang für ein Album der Nacht – oder eben der Nachtfalken (oder doch 'Nachtschwärmer' – egal beide Begrifflichkeiten passen nur zu gut hinter der Musik auf „Citizen Wayne“): Ein tiefer, etwas bedrohlicher Bass sorgt für eine fast beängstigende Nachtstimmung…
...und dann erhebt sich eine kristallklar klingende Trompete und bläst all die Angst davon. Solche Stimmungen voller Groove konnte doch bisher nur ein MILES DAVIS verbreiten, wenn er die „Bitches Brew“ heraufbeschwor oder vielleicht noch das ESBJÖRN SVENSSON TRIO (EST), wenn die sich mit einem begnadeten Trompeter verstärkt hätten.

Doch diese Zeiten schienen lange Geschichte – irgendwie unerreicht. Doch plötzlich tauchen wie Phoenix aus der Asche die NIGHTHAWKS auf und entführen uns in diese unerforschten, geheimnisvollen Gefilde des perfekten (Jazz-)Klangs. Zwei Nachtfalken, der Trompeter und Hornist REINER WINTERSCHLADEN und der Bassist, Keyboarder und Gitarrist, der noch dazu ein perfektes Sampling beherrscht, DAL MARTINO, loten auf „Citizen Wayne“ die Grenzen dessen aus, was moderne Jazz-Musik mit Unterstützung hochwertiger Technik und eines grandiosen Sounds zu leisten in der Lage ist. Noch dazu erhalten sie von weiteren echten Jazz-Größen zusätzliche Unterstützung an Keyboards, Fender Rhodes bzw. Gitarren und Schlagzeug. Und im Rahmen der das Album abschließenden, dreiteiligen, gut 18 Minuten langen „Bronco Suite“ erhebt sogar LUCAS SCHMID noch seine Stimme.

Auf jeden Fall lässt man für dieses NIGHTHAWKS-Album gerne mal seine MILES DAVIS-Platten im Plattenschrank stehen.
Man kann aber gerne beim Hören dieser atmosphärischen Klangwelten voller Trompete, Samples, Beats und Finsternis ein wenig nachforschen, warum sich die beiden Musiker diesen Namen verpassten und kommt dann auf die Lösung, auch wenn diese gut 80 Jahre zurück liegt. Damals, <a href="https://malen-lernen.org/nighthawks-edward-hopper/" target="_blank" rel="nofollow">im Jahr 1941, schuf Edward Hopper das weltberühmte Gemälde</a> mit den drei Leuten (eine Frau in Rot und zwei 'behütete' Männer, alle hinter einem Tresen sitzend, während der Kellner in Weiß wohl gerade Gläser wäscht), die der Betrachter so sieht, als würde er durch das hell erleuchtete Kneipen-Fenster schauen. Diese Menschen lieben die Nacht – darum nennt man sie auch Nachtschwärmer (nicht Nachtfalken). Und Nachtschwärmer sind wohl auch Winterschladen & Martino, die zu dem Hopper-Gemälde ihr Musik-Gemälde, welches gänzlich die gleiche Atmosphäre ausstrahlt, schaffen. Eine Atmosphäre, die nicht nur an das Amerika der 40er-Jahre, sondern auch an Italo-Western oder TITO & TARANTULA bei deren Film-Trip in „From Dusk Till Dawn“ denken lässt. Die das Album abschließende Suite ist dann auch wie ein Film, inklusive einiger Sprachpassagen, aufgebaut, die massive Western-Stimmung verbreitet und ENNIO MORRICONE ein neues Lied vom Tod spielt.
Und dass die Westernverliebtheit der beiden nicht nur unüberhörbar, sondern auch unübersehbar ist, zeigt der Albumname – ein Wortspiel aus 'Citizen Kane', einem der berühmtesten Western aus der Feder von Orson Welles, und John Wayne, einem der berühmtesten Westerndarsteller aus einer Zeit, als man sich noch nicht ins gendernde Hemdchen machen musste, wenn man Freude an Cowboys und Indianern hatte, von denen heutzutage sogar unser guter alter Winnetou in Verruf geraten ist...

Außerdem gibt es noch einen zweiten Grund für diesen Nachtschwärmer-Namen, denn die beiden Musiker hatten vor 25 Jahren – denn da entstand dieses Album, das nun endlich erstmals als Re-Issue auch auf Vinyl erhältlich ist – eine Vielzahl anderer Verpflichtungen, die ihnen tagsüber einfach nicht die Zeit ließen, an eigener Musik zu arbeiten. Also entschieden sie sich, die Aufnahmen für „Citizen Wayne“ größtenteils nachts einzuspielen. Oh ja, und nun könnte man glattweg behaupten, dass solch nacht-atmosphärische Musik wirklich nur um diese Nachtzeit entstehen konnte – der Beweis dafür ist dieses Album, das man am besten auch in den Abend- und Nachtstunden hören sollte. Der Kritiker jedenfalls hat sich genau wie die NIGHTHAWKS an mehreren Abenden das Album angehört und besprochen – das ist man diesem Meisterwerk einfach schuldig –, um als Nachtschwärmer nicht von irgendwelchen Sonnenstrahlen abgelenkt zu werden. Auch bei den beiden Musikern ging es beim Einspielen dieses Albums ganz ähnlich und zwanglos zu, wie Martino zu Papier gibt: „Alles in allem haben wir von vorne bis hinten nach dem Lustprinzip gearbeitet; dazu zählt auch, dass wir das Ganze zunächst mal nur 'für uns' gemacht haben, und uns kein Liefertermin im Nacken saß. Ein zusätzlicher Luxus.“

Wir aber sollten uns ab sofort den Luxus leisten, nach einem Vierteljahrhundert erstmals „Citizen Wayne – Re-Issue auf Vinyl“ auf den Plattenspieler zu legen und einfach nur genießen.
Kennt übrigens jemand die Serie „Bosch“, in der der Hauptdarsteller ein begeisterter Jazz-Fan ist, der die faszinierendsten LP's, aber eben nur LP's (Nichts Anderes!), auf seiner High-End-Anlage anhört und dabei all die Grauen um sich vergessen kann?
Ihr könnt sicher sein: Bosch würde nun Freudensprünge machen, wo endlich dieses Album auf Vinyl erscheint – und garantiert liefe es bei ihm dauerhaft. Und nicht nur bei ihm. Denn auch der Kritiker kennt garantiert eine weitere Person, der es ab sofort ganz genauso geht. Ein Blick in den Spiegel reicht.

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FAZIT: „Citizen Wayne“ von NIGHTHAWKS brauchte ganze 25 Jahre um endlich zu „Citizen Wayne – Re-Issue auf Vinyl“ zu werden. Dieser großartige Jazz-Rock voller Groove und Atmosphäre sowie einer Trompete, die der von MILES DAVIS zum Verwechseln ähnlich klingt, während der Sample-Einfallsreichtum EST Konkurrenz macht, ist unbeschreiblich gut. Die Nachtschwärmer machen Musik für Nachtschwärmer und Filmfreunde, denen besonders alte Western und Italo-Western-Soundtracks der Marke Morricone am Herzen liegen. Ein wahres Füllhorn dunkler Gedanken verwandelt in hell leuchtende Musik, der alle Nachtschwärmer verfallen werden.

Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.09.2022

Tracklist

  1. <b>Seite A</b> (24:46):
  2. Mondo (6:52)
  3. Bar Next To The Roxy (4:06)
  4. Orphanage Des Éléphants (5:30)
  5. Round Midnight (5:34)
  6. Love's End (2:44)
  7. <b>Seite B</b> (22:46):
  8. Hornflakes Diner (4:00)
  9. Zero Hour (7:35)
  10. Hace Mucho (4:58)
  11. Mañana (6:13)

Besetzung

  • Bass

    Dal Martino

  • Gesang

    Lucas Schmid

  • Gitarre

    Dal Martino, Steffen Kemper, Jürgen Dahmen, Mickes Lücker

  • Keys

    Dal Martino

  • Schlagzeug

    Stefan Krachten

  • Sonstiges

    Reiner Winterschladen (Trompete, Flügelhorn), Dal Martino (Samples)

Sonstiges

  • Label

    Qrious Music/edel Kultur

  • Spieldauer

    47:32

  • Erscheinungsdatum

    23.09.2022

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