22 Jahre alt und jung zugleich sind NIGHTRAGE dieser Tage, ein erfrischender, Ton gewordener Anachronismus sozuagen… Bei Stehaufmännchen Marios Iliopoulos und Co. ist die Zeit ungefähr 1996 stehengeblieben und skandinavischer Melodic Death Metal der traditionellen Sorte immer noch das Gebot der Stunde. Was dies betrifft, macht dem Projekt derzeit niemand so schnell etwas nach.
Das bereits thematisch zusammenhängende Trilogie abschließende neunte Studioalbum der schwedisch-griechischen Formation, bei der das Besetzungskarussell über zwei Jahrzehnte hinweg selten stillgestanden hat, wirkt mehr noch als seine beiden Vorgänger "The Venomous" (2017) und "Wolf to Man" (2019) wie ein Rückgriff auf klassische Todesbleiguss-Tugenden unter modernen Voraussetzungen.
Das von Dante Alighieris "Inferno"-Teil der "Göttlichen Komödie" inspirierte Narrativ von "Abyss Rising" kann man sich als Hörer ohne weiteres knicken und trotzdem eine Menge Spaß an der Musik haben, wobei die Zwischenspiele zwar stimmungsvoll klingen, aber gleichfalls verzichtbar erscheinen. Indes reüssieren NIGHTRAGE sowohl in höheren Drehzahl-Bereichen als auch im für extremen Metal oft verfänglichen Midtempo, wobei einige Tracks unter gefühlt mindestens 20 Jahre alter Patina glänzen, obwohl sie natürlich jüngeren Datums sind.
Den auf der melodischen Ebene besonders eleganten Stücken ´Abyss Rising´ zu Beginn und ´9th Circle Of Hell´ steht immer wieder die klassisch thrashige Gangart gegenüber, sei es während ´Shadows Embrace Me´ und ´Cursed By The Gift Of Sight´ oder im nach sachtem Intro bissig hämmernden ´Dance Of Cerberus´.
Der hell keifende Frontmann Ronnie lässt an das Debüt und zweite Album der Deutschen Night In Gales mit Björn Gooßes (heute The Very End und Harkon) am Mikro denken. Wohingegen Blastbeats wie in ´Pest Ridden Tide´ ruhig häufiger Akzente setzen dürften, wird´s in den offensichtlichen Highlights ´Falsifying Life´ und ´False Gods´ endgültig so geil wie bei In Flames von Mitte bis Ende der 1990er.
FAZIT: Melodic Death Metal wie aus Schweden gegen Ende der 1990er, versehen mit zeitgenössischem Flair und von pfiffigen Songwritern eingefädelt - NIGHTRAGE sind auch 2022 eine wohltuende Insel, auf die man sich zurückziehen kann, wenn man aller Innovation müde ist und sich wieder bewusst machen möchte, warum die Schlüsselwerke von In Flames, Dark Tranquillity, frühen Arch Enemy oder auch Eucharist bis heute abriebfest geblieben sind. Dass "Abyss Rising" dabei nicht im Geringsten nach schal nostalgischem Abklatsch klingt, spricht ausdrücklich für seine Schöpfer. <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/edf36e67816b4f0fa7868bf43af5f0ce" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.02.2022
Francisco Escalona
Ronnie Nyman, Marios Iliopoulos
Marios Iliopoulos, Magnus Söderman
Dino George Stamoglou
Despotz / Rough Trade
39:00
18.02.2022