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One Arm: Mysore Pak

Stil: Post-Rock, Experimental

Cover: One Arm: Mysore Pak

Wenn Einarmige einer indischen Süßspeise ein komplettes Album widmen, dann muss der Hunger nach Zucker schon verdammt groß sein. Vielleicht liegt es auch an dieser Vorliebe für Karies fördernde Mittel, dass „Mysore Pak“ so klingt wie es eben klingt.

Dem doppelt bemannten Viersaiter ist es sicher zu verdanken, dass sich in vielen Songs eine auf den ersten Hör etwas unkonventionelle Melodik bemerkbar macht. Ist einer der Bässe relativ klar in seiner Rhythmusfunktion zu erkennen, ist der andere eher für diverse Soundspielereien verantwortlich, bei denen im ersten Moment nicht wirklich klar auszumachen ist, wo sie eigentlich herkommen. Gleiches gilt für die manchmal doch arg penetranten Keyboard-Sounds.
In „Space is the Place“ wandert der Fiep-Ton des Tasteninstruments schon arg ausfüllend im Klangbild umher, sorgt aber auch dafür, dass sich eine gewisse Schrägheit einstellt, die irgendwie interessant ist.
„One Arm“ setzt da sogar noch einen drauf und klingt nach einer verkifften Hippie-Jam. Mitunter hart an der Schmerzgrenze wabern allerlei Soundeffekte über das klackernde Schlagzeug und auch der säuselnde Gesang sorgt nicht gerade dafür, den vertripten Eindruck zu schmälern.

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Unter dieser unkonventionellen Oberfläche zeigt sich aber immer mehr, dass ONE ARM durchaus was auf dem Kasten haben. Irgendwie ist es doch auch eine Kunst seine Musik stets auf dieser Grenze zwischen völlig schräg und verdrogt und erkennbarem musikalischen Anspruch anzusiedeln. Gut, Nummern wie „City“ können einem auch gehörig auf die Nerven gehen, denn wenn immer das gleiche Bassmotiv runtergespult und darüber einfach vollkommen frei auf der Gitarre rumgeschrubbt wird, ist schon ein gewisser geschmacklicher Grenzbereich erreicht. Das von Sprachsamples durchsetzte „B.O.“ schlägt in dieselbe Kerbe und hat noch mehr von einem LSD-Trip. Gleiches gilt für „Change“, das dank rituellem Schamanen-Gesang und wirren Klangeffekten auf zweiter Ebene richtig anstrengend klingt.
Dieser Eindruck zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Material: Im Grunde klingen die Songs alle gar nicht so verkehrt (vorausgesetzt man hat ein musikalisch aufgeschlossenes Ohr), mit der Zeit wird das Material aber immer anstrengender, weil es trotz erkennbarer Struktur immer irgendwie plan- und ziellos wirkt. Die seltsamen Sprachsamples tragen zusammen mit diversen anderen Soundspielerein auch nicht unbedingt dazu bei, die Musik bekömmlicher zu gestalten.

Zwar finden sich immer wieder Momente, die zum Hinhören animieren, aber unterm Strich ist „Mysore Pak“ auch bei aktivem Genuss wohl nur was für Spezialisten und musikalische Trüffelschweine mit stilistisch weite offenem Horizont.

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FAZIT: „Mysore Pak“ ist unkonventionell und wohl eher was für musikalisch Aufgeschlossene, was eigentlich nicht schlecht ist. Zwar ist dieses durchaus wirre Soundgebräu eine aktive Begutachtung allemal wert, aber der Spannungsgrad zwischen „scheiße“ und „interessant“ dürfte je nach Gemüt des Hörers relativ eng beieinanderliegen. Vielleicht braucht es aber auch einfach einen gehörigen Zuckerschock, um ONE ARM wirklich genießen zu können.

Punkte: 4/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.02.2022

Tracklist

  1. Real
  2. Esg
  3. Space is the Place
  4. One Arm
  5. Fiddle
  6. City
  7. B.O.
  8. Change
  9. Hitch-Raping
  10. Top Tone
  11. Step
  12. Virgule

Besetzung

  • Bass

    Laure, Rico

  • Gesang

    Laure

  • Schlagzeug

    Dilip

  • Sonstiges

    Laure (Synths, Gitarre in „Space Is The Place“ und „Virgule“), Dilip (Keyboard in „ESG“ und „Virgule“), Rico (Soundeffekte), Marine (E-Schlagzeug), Little Annie (Gesang in „Space is the Place“), Pierre Alex Sigmoon (Bass in „Space is the Place“), DEF (Keyboard in „Space is the Place“ und „Change“), Realaskvague (Keyboard in „City“ und „B.O“)

Sonstiges

  • Label

    Atypeek Music

  • Spieldauer

    52:05

  • Erscheinungsdatum

    18.06.2021

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