Viele warten (leider noch immer vergeblich) auf ein 'echtes' neues Album der schottischen Neo-Progger PALLAS, die ja immerhin bereits seit ihrem ersten, deutlich an IQ erinnernden 1984er-Album „The Sentinel“ – ein Vorzeige-Album richtig guten Neo-Progs – in aller Munde waren.
Doch statt diese Erwartungen zu befriedigen, wähl(t)en PALLAS eine andere Variante, um wieder ins progressive Musik-Spiel zu kommen und veröffentlichen neu eingespielte Aufnahmen aus ihren 'alten' Alben.
Im Falle von „Fragments Of The Sun“ sind diese Neuinterpretationen recht gut gelungen, auch wenn sie manchmal deutliche Stimmungsunterschiede aufweisen – obwohl die Grundstimmung eher getragen und ruhig als komplex und rockig ist, wobei aber trotzdem noch immer jede Menge begnadete Gitarren-Soli, die ein Mr. Gilmour auf seiner Insel auch nicht besser hinbekommen hätte, vorhanden sind.
<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/1Pr_Lhbfv_g" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>
Los geht es mit gleich zwei Instrumentals: „Submarine“, angeblich russisch geprägt vom Kalten Krieg und Tschernobyl, von ihrem 2013er-Album „Sketches“ und „Win Or Lose“ vom 2000er „The Wedge“, um dann nach gut 11 Minuten den ersten Vocal-Track „Generations“ vom 2001er „The Cross And The Crucible“ hinterherzuschieben. Ein ziemlich finsterer Einstieg, der anfangs an „Das Boot“ von U96 erinnert, um sich dann in sakrale Regionen zu erheben und im ruhig-melodiösen Retro-Prog zu enden.
Bereits hier werden eventuell vorhandene Vorurteile wegen des Recycelns eigener Stücke ad absurdum geführt, denn diese Interpretationen entwickeln tatsächlich ein filigranes Eigenleben, bei dem neben Bombast auch eine Harfe auftauchen darf, wobei eine deutliche Dominanz der Keyboards unüberhörbar ist.
Mit „Reprise“, „Northern Star“ sowie „Blood And Roses“ und „Ascension“ erwarten den Hörer noch vier weitere Instrumental-Stücke, welche sich in ausgewogener Abwechslung zu den insgesamt fünf verbleibenden gesungenen Titeln bewegen – und umso länger das Album dem Ende entgegenstrebt, entwickelt es eine immer stärkere floydianische Atmosphäre oder zieht, wie beispielsweise im Falle von „Blood And Roses“, als fragil-akustisches Klang-Epos seine ruhigen Kreise.
Allerdings werden Freunde härter Schlagzeug-Klänge, die man sonst ja auch bei PALLAS geboten bekommt, enttäuscht sein, denn die sind bei den sehr atmosphärischen und oftmals sich in Ambient-Sphären bewegenden (Neu-)Aufnahmen echte Mangelware. Außerdem zählt Entspannung auf „Fragments Of The Sun“ deutlich mehr als Progressives. Wer allerdings den Herrn Gilmour gerne auch solistisch auf die Insel begleitete, der darf sich voller Spannung auf diese akustischen PALLAS-Sonnen-Fragmente stürzen, ohne sich nach der „Dark Side Of The Moon“ zu sehnen.
<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/KI7CAudiWTc" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>
FAZIT: Nach „The Edge Of Time“ kommt nun mit „Fragments Of The Sun“ der zweite progmusikalische Streich von PALLAS mit neu arrangierten, sich deutlich in ruhig-bombastischen Sphären bewegenden Aufnahmen alter Stücke der Band auf den Markt. Sicher werden nicht alle PALLAS-Freunde von dieser 'Recycle-Wut' am eigenen Werk begeistert sein und wünschen sich endlich wieder etwas urwüchsig Eigenständiges von den Schotten. Was nicht ist, das kann ja noch werden – und bis dahin lohnt es sich auf jeden Fall, auch mal zu den Sonnen-Fragmenten zu greifen, selbst wenn die in punkto Kreativität noch nicht der wahre Lichtblick sind.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.01.2022
Graeme Murray
Paul Mackie, Graeme Murray
Niall Mathewson
Ronnie Brown
Colin Fraser
Eigenpressung/Just For Kicks
64:35
07.05.2021