<b>„Die Naturgitarre sechssaitig, zwölfsaitig und als Steelgitarre – ist ein Instrument mit einem erstaunlichen Ausdrucksreichtum. Den möchte ich, soweit es in meinen Kräften steht, ausschöpfen … Balladen mit der Gitarre erzählen für Leute, die Freude an der Phantasie haben und Lust daran, sich von Saitenklängen in verschiedene Stimmungen treiben zu lassen...“</b> (RALF KOTHE auf der AMIGA-LP „Gitarrendurst“ aus dem Jahr 1987)
Muss ich – der Mann aus einem Land, das nicht mehr existiert und dessen eigene Identität irgendwie im gesamtdeutschen Wiedervereinigungstaumel unter der bundesdeutschen Käseglocke abhanden gekommen ist – wirklich gut finden, dass zwei Alben von RALF KOTHE, einem der begnadetsten (akustischen) Gitarren-Virtuosen der (ehemaligen) DDR, den englischen Titel „Guitar-Ballads I & II“ verpasst bekommt, anstatt die bei dem DDR-Plattenverlag verwendeten Titel „Gitarrenballaden“ zu verwenden?
Und ob das ein <a href="https://www.berlin.de/musikschule-treptow-koepenick/informationen/lehrkraefte/artikel.166568.php" target="_blank" rel="nofollow">RALF KOTHE</a>, der, wenn wir schon bei Ost-West-Vergleichen sind, doch tatsächlich mit Fug und Recht sowie voller Stolz auch unser MICHAEL ROTHER (Ja, genau, der NEU!-Gitarrist und seine ersten beiden Solo-Alben sind hier gemeint!) aus der DDR genannt werden dürfte, es auch gut findet, dass das wirklich großartige MIG-Label, die sich immer mehr auch als Bewahrer der 'östlichen Musikkunst' mausern, sich für diesen englischen Titel der beiden in der DDR bei AMIGA erschienenen Kothe-LP's „Regendurst“ und „Die andere Seite“ entschieden hat?
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Alles vielleicht einfach nur eine Identitätsfrage, aber eine, die sich viele in den 'neuen' Bundesländern immer wieder fragen, wenn sie nach und nach feststellen, was alles ehemals noch so Verfluchte wieder unter anderem Namen Einzug in die gesamtdeutsche Gegenwart findet. So wie beispielsweise die beiden wunderbaren AMIGA-LP's von RALF KOTHE aus den Jahren 1987 und 1989: „Regendurst – Gitarrenballaden 1“ und „Die andere Seite – Gitarrenballaden 2“.
Längst vergessen im besagten Taumel – und doch wiederentdeckt von MIG music! Ein herzliches Dankeschön dafür, trotz des 'internationalen Titels', unter dem beide Alben nun als Doppel-CD plus absolut hochwertiger Bonustitel wiedervereint sind. Denn RALF KOTHE steht wirklich einem MICHAEL ROTHER auf seinen ersten beiden Gitarren-Balladen-Alben in nichts nach – und was für den 'Ossi' eben „Regendurst“ und „Die andere Seite“ war, war für den 'Wessi' „Flammende Herzen“ und „Katzenmusik“. Insgesamt gleich vier Alben, die zu dem Besten gehören, was man sich unter dem Begriff Gitarren-Musik vorstellen kann.
Anderen musikalisch 'Westsozialisierten' werden wohl auch ILLENBERGER und KOLBE in den Sinn kommen oder über den westdeutschen Tellerrand bleibt man garantiert auch bei einem LEO KOTTKE hängen, wenn man die beiden Kothe-Alben hört, während man in der DDR ansonsten wohl vergeblich nach weiteren, größtenteils akustisch dominierten Gitarren-Alben sucht. Da bleibt es zwischen den Mauern bei diesen beiden AMIGA-Alben, die aber eben absolut meisterhaft sind – musikalisch wie auch produktionstechnisch, sodass der Rother-Vergleich in keiner Weise hinkt.
Oder um es abschließend bei den treffenden Worten zu belassen, die Christian Hentschel in dem achtseitigen Booklet für den DDR-Gitarristen findet, der noch immer aktiv ist und bereits weitere Gitarrenballaden-Alben veröffentlichte: „Gitarristen, die Geschichten erzählen, die laut und leise spielen, die aufbrausend sind, um sich im nächsten Moment nuanciert zurückzunehmen. Gitarristen, die magische Perlen schaffen, die Soundtracks für's Kopfkino liefern. Einer dieser seltenen Spezies ist der Berliner RALF KOTHE.“
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FAZIT: Jenseits der Rockgeschäfts der (ehemaligen) DDR ist/war RALF KOTHE der anerkannteste, angesehenste und bekannteste Gitarrist, der als diplomierter Gitarrenlehrer die hohe Kunst beherrscht, aus den unterschiedlichsten Gitarren die phantasievollsten Klangwelten zu zaubern, die beim Hörer ganz eigene Geschichten im Kopf entstehen lassen, die sich vielleicht ein wenig in Richtung der durch Kothe gewählten Titel bewegen, die da beispielsweise „Regendurst“, „Dünengeflüster“, „Glasperlen“, „Himmelsreiter“, „Blume im Wind“ oder „Kindheitsträume“ heißen. In der DDR durfte Kothe zwei hervorragende AMIGA-LP's, eine erschien 1987 die andere im Jahr des Mauerfalls, veröffentlichen, die ein wenig wie die musikalischen Geschwister von MICHAEL ROTHERs „Flammende Herzen“ und „Katzenmusik“ klingen. MIG music macht es möglich, dass diese beiden Alben unter dem Titel „Guitar-Ballads I & II – Regendurst & Die andere Seite“ nunmehr auf CD erscheinen und weckt so wieder Erinnerungen an eine längst vergessene Zeit, die im Falle von RALF KOTHE trotz Mauerblümchen-Dasein tatsächlich so faszinierend klingen konnte!
Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.12.2022
George Dittrich
Ralf Kothe
Milan Samko
Ralf Kothe (Zither, Percussion), Gerald Stange, Hans Jackow (Percussion), Ingo Dathe (Harmonica)
MIG music
103:26
11.11.2022