Das Cover von "Turborider" (und im Grunde genommen auch der Titel) deutet bereits an, woher der Hase 2022 bei RECKLESS LOVE läuft: Die finnische Melodic-Rock-Combo springt naheliegenderweise auf den Synthwave-Zug auf, denn dieser fährt bekanntlich genauso wie sie selbst auf der Eighties-Nostalgie-Schiene.
Bewegen sich die Finnen auf diese Weise aufs Abstellgleis? Mit Verlaub, nein - aber man darf sich schon nach drei, vier Songs von "Turborider" die Frage stellen, wie weit sich dieser watteweiche Sound noch zuspitzen lässt, ohne im seichten Pop-Gewässer steckenzubleiben.
Das Titelstück führt mit seinem einleitenden Sequenzer-Motiv, dessen Monotonie an frühen Ambient aus der Berliner Schule (Tangerine Dream) denken lässt, auf eine falsche Fährte, denn besinnliche Klanghypnose betreiben RECKLESS LOVE mitnichten. Der Stampfer steht exemplarisch für die aktuelle Stoßrichtung der Gruppe: ein nach Drumcomputer klingendes Schlagzeug und oft künstlich verfremdete Vocals bilden den Rahmen für eingängige Kompositionen mit Gitarrenriffs auf Halbfettstufe.
Unter diesen Voraussetzungen ist die Platte allerdings maximal variabel ausgefallen. Die Band überfrachtet ihre Arrangements nicht mit etlichen Instrumentalspuren, sondern lässt ihre simplen Beats um Sänger Olli Hermans süßlich melodischen Vortrag kreisen. ´Outrun´ stellte als erste Komposition der Musiker fürs Album die stilistischen Weichen für alles weitere und bietet neben dem zockelnden ´Like A Cobra, dem funky schmatzenden ´´89 Sparkle´ und einer aberwitzig "verpoppten" Ozzy-Osbourne-Coverversion (´Bark at the Moon´) die hörenswertesten Momente von "Turborider".
FAZIT: RECKLESS LOVE am Scheideweg - "Turborider" zeigt die finnische Formation am Rand ihres angestammten Milieus Sleaze- respektive Haarspray-Rock, wo ein verstärkter Einsatz von Keyboards und Samples in eine künstlerische Sackgasse zu führen droht. Das Songmaterial unterhält trefflich, doch jede Wette, dass die Band auf ihrem sechsten Album einen Rückzieher in handfester rockende Gefilde versuchen wird… <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/0b639587f493495a9a2a29a9071a737b" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.02.2022
Jalle Verne
Olli Herman
Pepe
Hessu Max
AFM / Soulfood
35:20
25.02.2022