Mit ihrem Debüt-Album „Alchemy“ setzte TARA NOME DOYLE neue Maßstäbe in Sachen eines konzeptionellen Überbaus für ihre ganz eigene Art von Art-Pop-Songs. Nicht nur, dass sie sich auf dem Album tatsächlich mit den Themen Mystizismus und Alchemie auseinandersetzte, sondern weil sie das komplexe Innenleben ihrer Charaktere den Prinzipien des Schweizer Philosophen Carl Gustav Jung und dessen Theorie von der Persona (dem Selbstbildnis des Menschen) und Schatten (dessen düsteres Gegenstück) unterordnete.
Kurz gesagt: Das tut die Berliner Songwriterin mit den irisch/norwegisch/deutschen Wurzeln auch auf ihrem zweiten Album wieder – wenngleich sie sich dieses Mal nicht mit der Alchemie beschäftigt, sondern ihrer Geschichte mit dem im Titel des Albums als „Værmin“ verklausulierten Ungeziefer-Tierchen (Blutegel, Moskitos, Schnecken oder Raupen etwa) als Metaphern erzählt.
Gründe dafür gibt es verschiedene – unter anderem den, dass TARA halt nun mal ein Herz für Krabbeltiere und die dunklen Seiten des Daseins hat.
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Musikalisch schlägt sich dieses Thema insofern nieder, als dass sie so weit geht, in Songs wie „Spiders“ oder „Caterpillar“ sozusagen aus der Perspektive des „Ungeziefers“ selbst zu singen, um so ihren Anliegen (wie in dem Fall Begierde und Depression) ein Gesicht zu geben. Und das manifestiert durch ein klangtechnisch subtil inszeniertes, düsteres Dreampop-Flair mit dem sich TARA gesanglich und klanglich ins Unterbewusstsein schleicht.
Ach ja: In der Schreibweise „vær min“ bedeutet der Titel auf norwegisch „sei mein“. Mit dem so genannten Track auf norwegisch am Ende des Albums fügt die Singer/Songwriterin dem Unterbau ihres Projektes eine weitere Ebene hinzu.
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FAZIT: Besonders viel braucht TARA NOME DOYLE eigentlich nicht, um musikalisch glücklich zu sein. Die meisten Tracks auf „Værmin“ kommen im Stile von harmonisch und melodisch ambitioniert strukturierten Piano-Balladen daher, die sie dieses Mal besonders gerne mit voluminösen Orgel-Sounds mit liturgischer Note ergänzt, während Produzent SIMON GOFF als Violinist, ANNE MÜLLER als Cellistin und TOBIAS HUMBLE von der GANG OF FOUR sowie LARRY MULLINS von den BAD SEEDS gelegentlich als Drummer aushelfen. Mehr braucht es aber auch nicht, da es in TARA NOME DOYLEs Kunst nie um große Effekte oder laute Töne, sondern um Vielschichtigkeit, Doppeldeutigkeit, unwirkliche und spirituelle Atmosphäre und zwischenweltliche Assoziationen geht.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.01.2022
Tara Nome Doyle
Tara Nome Doyle
Tobias Humble, Larry Mullins
Simon Goff (Geige & Synthies), Anne Müller (Cello)
Modern Recordings/BMG
40:31
28.01.2022