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Vlimmer: Menschenleere

Stil: Post-Punk, Industrial, Darkgaze

Cover: Vlimmer: Menschenleere

Inmitten karger Betonbauten und dunkler Straßen, die von den Ausgestoßenen der Gesellschaft belagert werden, wandert ein zielloser Geist umher. Er nimmt alles nur schemenhaft wahr, die wenigen Menschen scheinen mit der grauen Umgebung zu verschmelzen.
Farben? Fehlanzeige.
Am Himmel wacht lediglich der Mond hinter Wolkenschleiern verborgen über die von Kälte gebeutelte Stadt. Doch aus einem inneren Drang heraus muss der Wanderer durch diese Häuserschluchten ziehen, auf der aussichtslosen Suche nach sich selbst.
Er kann nicht nach Hause, denn das Innenleben eines Gebäudes scheint ihn erdrücken zu wollen, er kann sich mit seinen Ängsten aber auch an niemanden wenden, denn die Sorge, auf taube Ohren zu stoßen, sitzt so tief, dass die Angst vor Ablehnung den Wille nach Anschluss an eine Gemeinschaft überlagert.
Diesen Schwebezustand, der einen Menschen nur aufreiben kann, vertonen VLIMMER mit elektronischen Klängen, die doch auch immer tanzbar sind, dabei aber eher zwanghaft zuckend, als erlösend und freigeistig wirken.

Titel wie „Zielzweifel“ oder „Schädelhitze“ erscheinen nicht nur in ihrer Wortschöpfung drastisch und destruktiv, sie beantworten die Fragen nach der eigenen Identität, die in „Erdgeruch“ in den Raum gestellt werden, auch eher mit neuen Fragen als greifbaren Antworten.

Und doch erklärt der „Kronzeuge“, dass es keine Zufälle gibt. Der Song eignet sich nur zu gut, um die Gegensätzlichkeit des gesamten Albums zu erklären. Trotz der emotionalen Schwere, die aus dem melancholischen Unterton erwächst, schwingt ein diffuses Gefühl von Leichtigkeit, vielleicht auch Trotz mit. Der Beat, die Melodien, das alles erweckt die Lust zu tanzen. Egal, ob die verregnete Nacht ihre Schleier über die Stadt legt, oder die Morgendämmerung mit der Nacht kämpft: Im Tanz liegt Freiheit, der Ausdruck einer Sehnsucht, die sich viel zu lange schon in das geschundene Herz gefressen hat und jetzt endlich raus muss.
Aber was bleibt, wenn die Energie aufgebraucht, die Freude sprichwörtlich aus dem Körper getanzt wurde?

„Stimmriss“ brodelt introvertiert, fast intim. Die verspielte Melodik wird von einem metallischen Kratzen aufgebrochen und die Stimme verbreitet den Eindruck von Apathie, vielleicht auch Verlust, der aber noch nicht komplett realisiert wurde.
„Weckst du mich, wenn ich müde bin?“, fragt „Fatigo“ und wirkt damit wie ein Paradoxon. Denn hier wird der Wille zu Entwicklung gleichsam ersehnt und negiert. Verspielt und doch stoisch vorantreibend pulsiert die Elektronik in diesem Song und ebnet damit den Weg für „Menschenleere“.
Es wird kälter, beklemmender, aber auch verzweifelter, denn in all der Leere des Moments keimt Einsamkeit und damit Schmerz auf, der in „Raynaud“ mitunter trotzig ignoriert wird. Letztendlich kehrt er aber doch immer wieder.

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FAZIT: Die Welt von VLIMMER ist kalt und „Menschenleere“ ist mehr als nur eine emotionale Zustandsbeschreibung. Vielleicht ist es die dystopische Version einer Zukunft, vielleicht ist es aber auch eine Art musikalische Mahnung daran, das Leben eben nicht im persönlichen Grauschleier versacken zu lassen. Denn die Folge sind Einsamkeit, persönliche Leere und emotionale Ernüchterung. Wodurch man sich gewissermaßen selbst kaltstellt. Dieses Auf und Ab zwischen Hoffnung und Verbitterung, zwischen persönlicher Nichtigkeit und dem Wille zum Leben macht dieses Album zu einem mitunter anstrengenden Hörgenuss, der aber doch auch einige interessante, weil dringliche Botschaften an den Hörer überbringen kann.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.12.2022

Tracklist

  1. Erdgeruch
  2. Mathematik
  3. Zielzweifel
  4. Noposition
  5. Schädelhitze
  6. Kronzeuge
  7. Schwimmhand
  8. Stimmriss
  9. Fatigo
  10. Menschenleere
  11. Raynaud

Besetzung

  • Gesang

    Alexander Leonard Donat

  • Keys

    Alexander Leonard Donat

Sonstiges

  • Label

    Blackjack Illuminist Records

  • Spieldauer

    51:40

  • Erscheinungsdatum

    04.11.2022

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