Bodenständigkeit macht sympathisch, da kann die Coverfratze mit noch so eindringlichem Blick versuchen, den Hörer niederzustarren. Wird der gebotene Rock'n'Roll auch noch tanzbar, dann ist ein augenzwinkernder Text über verflossene Liebe, wie z.B. in „Caroline“, gleich noch ein bisschen witziger, verkommt aber auch etwas zur Nebensache.
Ganz anders: „Hin und wieder“. Es klingt melancholischer, zwar kaum weniger verschroben, aber hier ist der Blues der Chef. Was dem reflektierten Text eine sehr energische Note verleiht.
Sämtliche Texte auf „Alles halb so wild“ wirken unmittelbar aus dem Leben gegriffen. Ob der Titeltrack das Paradebeispiel ist, kann jeder Hörer selbst entscheiden, aber nicht umsonst verkörpert dieser Song den Spirit des Albums sehr gut.
Zur vordergründigen „Leck mich“-Attitüde gesellt sich ein reflektierter Blick auf die eigenen Vergangenheit, dank dem man am Ende feststellt: Es war eben „alles halb so wild“.
Da passt auch der erdige Sound sehr gut.
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Sicherlich liegt bei WALLY der Fokus auf den (selbst)ironischen Texten, aber es ist auch der lockere, oft tanzbare Sound, der dieses Album zu einem einerseits sehr energischen Rockalbum macht, aber andererseits passt der Miesepeter-Look als Ersteindruck zugleich ganz gut zu WALLY.
Denn wer hat sie nicht, die genervten Momente am Morgen („Wecker, Wecker“) oder die reflektierten Blicke in die eigene Vergangenheit. Ein solcher ist auch „Dein Lied, das ich nie schrieb“: Gebettet in klangliche Wärme wird hier eine verflossene Liebe besungen. Es gibt Bläser-Sounds und ein Klavier klimpert. Irgendwie ist das Blues, irgendwie aber auch nicht. Auf alle Fälle schwenkt die Stimmung gekonnt zwischen melancholischem Blick zurück und der Akzeptanz der vergangenen (eigenen) Fehler. Schöne Nummer!
Noch ein Stück intimer wird das in „Wenig Gepäck“, das mit der Zeit tatsächlich ein bisschen auf die Tränendrüse drücken kann. Denn das Gefühl, sich im Kreis zu drehen, ohne ein erkennbares Ziel durchs Leben zu laufen, kennt wohl jeder. Da passt der langsam ansteigende Charakter der Musik, vom rein akustischen Beginn zu einem warm-bluesigen Gitarrensolo am Ende perfekt. „Wenig Gepäck“ hat etwas Melancholisches, fast Zynisches, wirkt aber auch sehr aufbauend, oder besser: Erdend. Am Ende sind wir alle Menschen und der Schnitter holt jeden von uns.
Das hätte doch einen passenden Schluss für das Album abgegeben. Aber WALLY entlässt den Hörer lieber mit einem Grinsen im Gesicht. Allerdings ist „Klaus“ nur im ersten Moment witzig, danach gibt der Song ein gut repräsentatives Bild davon ab, in welche Richtung sich der sog. 'Freund und Helfer' des Bürgers über die letzten Jahre hinweg verstärkt hinentwickelt hat. Leider wahr, leider immer noch aktuell.
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FAZIT: Tendenziell mit einem Augenzwinkern versehen ist WALLYs „Alles halb so wild“ ein kurzweiliges Debüt, das vor allem durch seinen bodenständigen Charakter gefällt. Die gegenwartsrelevanten Texte sorgen darüber hinaus für einen zusätzlichen Mehrwert. Das liegt natürlich auch daran, dass WALLY deutsch singt und somit für heimische Hörer sofort zu verstehen ist, was in erster Linie aber auch den Inhalten geschuldet ist.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.10.2022
Andre „Wally“ Wahlhäuser
Andre „Wally“ Wahlhäuser
Andre „Wally“ Wahlhäuser
Andre „Wally“ Wahlhäuser
Sunny Bastard Records
46:54
28.10.2022