Dass sich das fünfte Album von NATALIE 'WEYES BLOOD' MERING in gewisser Hinsicht vertraut anhört, hat mehrere Gründe. Zum einen hat sich die Musikerin aus L.A. im Laufe der Zeit einen ganz eigenen Stil mit hohem Wiedererkennungswert erarbeitet, der sich auch in diesem Falle durch üppige, organische Arrangements, ihren glasklaren Gesang und eine unglaubliche melodiöse Vielfalt auszeichnet – und zum anderen ist „And In The Darkness, Hearts Aglow“ der zweite Teil einer 2019 mit dem Album „Titanic Rising“ angestoßenen Trilogie. Das Ganze Projekt erwies sich im Nachhinein als geradezu prophetische Standortbestimmung, denn auf dem Album „Titanic Rising“ zeichnete die Musikerin – in gewohnt metaphorischer Manier – das Bild einer sich abzeichnenden Katastrophe. Dass diese dann in Form der Pandemie tatsächlich eintreffen würde, konnte sie 2019 natürlich noch nicht wissen – aber da stand das Konzept der Trilogie bereits und der zweite Teil sollte dann eine Art fiktiver Bestandsaufnahme während dieser Katastrophe sein, die nun natürlich deutlich weniger fiktiv ausgefallen ist, als ursprünglich geplant.
<center><iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/3g7BSnavHH8" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe></center>
Kurz gesagt findet WEYES BLOOD auf diesem Album Trost darin, dass sie mit ihren Ängsten und Nöten im Angesicht der sie umgebenden Unbilden nicht alleine ist (wie sie es in dem Song „It's Not Just Me, It's Bodybuilder“ zum Ausdruck bringt) und das Glühen der Herzen in der Dunkelheit zumindest für die Silberstreifen am Horizont gut sind. Spirituelle Erleuchtung findet sie dabei in Songs wie „God Turn Me Into A Flower“ - einer Paraphrasierung der Geschichte des Narziss, der in sein Spiegelbild verliebt alles um sich herum vergisst, bis Gott ihn in eine Narzisse verwandelt, die sich im Universum wiegt. Und wie eine solche Blume – so NATALIE MERING – möchte auch sie (und sicherlich so mancher andere ebenfalls) sein.
Das wird alles so unaufgeregt und schlüssig vorgetragen, dass sich beim Hörer der Eindruck einstellt, dass es alles so schlimm nicht sein kann – Katastrophe hin oder her – zumal WEYES BLOOD den Song „The Worts Is Gene“ ans Ende der Scheibe setzt, bevor sie mit „A Diven Thing“ nochmals Stoizismus propagiert.
Bemerkenswerterweise braucht sie als Musikerin teilweise keine Worte, um ihr Anliegen zu verdeutlichen, sondern hat die Technik entwickelt, ihr Material mit Instrumental- oder nonverbalen Vokalpassagen anzureichen. Auf dem nächsten Album soll dann die Hoffnung als solche im Zentrum stehen.
Darauf dürfen wir uns jetzt schon mal freuen.
<center><iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/MNDlMe4nuWw" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe></center>
FAZIT: Auf der musikalischen Seite hat sich NATALIE MERING schon lange von ihren ursprünglichen Indie-Roots gelöst und zollt auch mit dem aktuellen Album „And In The Darkness, Hearts Aglow“ mit der Hinwendung zu klassischen, organischen Arrangements ihren Inspirationsquellen Tribut und orientiert sich am zeitlosen Softrock-Sound, den CAROLE KING, THE CARPENTERS und vor allen Dingen der von ihr verehrte HARRY NILSSON dereinst zum Maß aller Dinge machten. Ihre ureigene Fähigkeit, sich in struktureller und melodischer Hinsicht zu immer neuen Höchstleistungen motivieren zu können, und das Material mit geradezu barocken Ambitionen klangtechnisch anzureichern, setzt sie dann zugleich von eben diesen Inspirationsquellen ab. Tatsächlich sind ihr mit „And In The Darkness, Hearts Aglow“ dann auch einige der bislang schönsten WEYES BLOOD-Kompositionen gelungen.
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.11.2022
Natalie Mering, Reg Duft, Daniel Palatin, Mary Baltimore
Sub Pop
46:01
18.11.2022