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Widowspeak: The Jacket

Stil: Indie-Pop

Cover: Widowspeak: The Jacket

Kompromisse sind ja in der Kunst nicht immer die beste Möglichkeit, um zu kreativen Lösungen zu kommen. Man höre sich nur mal die ganze, gleichgeschaltete Formatradio-Szene an.
Mit Formatradio haben MOLLY HAMILTON und ROBERT EARL THOMAS a.k.a. WIDOWSPEAK natürlich sowieso nichts am Hut – spätestens seit dem nun vorliegenden, sechsten Album „The Jacket“ aber offensichtlich auch nichts mehr mit Kompromissen.

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Denn klang das 2020er Vorgängeralbum „Plum“ im Vergleich eher versöhnlicher, so reizen WIDOWSPEAK und Produzent HOMER STEINWEISS auf dem neuen Album klanglich die Extreme dessen aus, was ihren eklektischen Indie-Pop seit jeher auszeichnet.
Auf der einen Seite ist da MOLLYs verführerisch einschmeichelnder Gesang nach der HOPE-SANDOVAL-Schule und auf der anderen Seite ROBERTs empathisches Gitarrenspiel. Das waren – neben den brillanten Songs – zwar bislang auch schon die Ingredienzen, die die Faszination des WIDOWSPEAK-Sounds ausmachten. Dieses Mal wurde aber noch eins draufgesetzt: Die Vocals sind noch weicher, ätherisch und flächiger angelegt und das Gitarrenspiel wird wesentlich rauer und greifbarer in Szene gesetzt, als bislang gewohnt, zumal sich der Gitarrist bemüßigt sieht, fast alle Songs mit wirklich inspirierten Soli anzureichern, die aufgrund ihrer spontanen Imperfektion tatsächlich wohl „on the spot“ in Jam-Situationen entstanden sind und gerade deswegen besonders emotional und seelenvoll wirken.

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Abgerundet wird das Ganze außerdem durch organische Keyboard-Beiträge von MICHAEL HESS.
Kurzum: Diese Scheibe brennt mindestens an beiden Enden und erinnert zudem auf überzeugende Weise an die ungezügelten Tage der Geburtsstunden des Indie-Rock im Big Apple (was für das Paar, das nun auch wieder in Brooklyn residiert, natürlich auch eine Art Verpflichtung darstellte).

Die im Titel besungene Jacke ist übrigens ein Überbleibsel aus dem Plan, die Scheibe als Konzeptalbum anzugehen. Eine Idee, die MOLLY im Verlauf der Produktion verwarf, weil sie am Ende zu der Einsicht kam, dass sie sich als Songwriterin nicht zugunsten von Metaphern und Allegorien von der eigenen Identität lösen konnte. Das ist auch gut so, denn ansonsten wäre die Scheibe sicherlich nicht so emotional und mitreißend ausgefallen.

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FAZIT: MOLLY HAMILTON und ROBERT EARL THOMAS ging es noch nie darum, nach den Regeln des Business zu spielen und nach einem Erfolgsrezept für ihre Musik zu suchen. Stattdessen setzt das Paar aus Brooklyn auf die Treue der Fans und sucht mit jedem Album nach neuen kreativen Ansätzen. Das ist auch der Grund, warum WIDOWSPEAK mit dem neuen Werk „The Jacket“ nicht beim gefälligeren Stil des letzten Albums ansetzten, sondern nach dem ultimativen Miteinander in Sachen Songwriting, Performance, Spielfreude und Dynamik agieren.

Punkte: 14/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.03.2022

Tracklist

  1. While You Wait
  2. Everything Is Simple
  3. Salt
  4. True Blue
  5. The Jacket
  6. Unwind
  7. The Drive
  8. Slow Dance
  9. Forget It
  10. Sleeper

Besetzung

  • Bass

    J. D. Summer

  • Gesang

    Molly Hamilton

  • Gitarre

    Robert Earl Thomas

  • Keys

    Michael Hess

  • Schlagzeug

    Michael Stasiak

Sonstiges

  • Label

    Omnian Music Group

  • Spieldauer

    42:14

  • Erscheinungsdatum

    11.03.2022

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