89 Jahre und noch immer kein bisschen leise – dieser WILLIE NELsON hat wirklich selbst im allerhöchsten (Musiker-)Alter noch eine wundervolle Zeit. Nur logisch, dass er genau nach dieser auch sein aktuelles Album benennt: „A Beautiful Time“.
Dass die Zeiten allerdings nicht immer ganz so wundervoll ausfielen, wie bei den Aufnahmen zu „A Beautiful Time“, konnte Nelson während des Einspielens nicht ahnen, denn nachdem das Album bereits im Kasten war, verstarb am 10. März seine 91-jährige Schwester, welche auch seiner 'Familien'-Band angehörte und die er auf seiner Homepage herzergreifend betrauert, <a href="https://willienelson.com/blogs/news/dear-sister" target="_blank" rel="nofollow">indem er sich in einem Brief an sie wendet</a> und ihr darin schreibt, wie sehr er sie liebte und was der Verlust von ihr für ihn bedeutet – und die er mit den Worten beginnt: „Alle nennen dich Bobbie, aber nur ich darf dich Schwester nennen. Ich habe dich mehr geliebt als alles Andere...“
Unter diesem Eindruck hätte das Album wohl einen anderen Titel erhalten, doch hört man darauf die Musik, welche als Nachfolgealbum von „Willie Nelson Family“ des vergangenen Jahres zu verstehen ist, so passt der Titel für die 14 Songs ideal, wobei es schon fast Ironie des Schicksals ist, dass der erste darauf enthaltene Song die Country-Ballade „I'll Love You Till The Day I Die“ ist.
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Noch trauriger schlägt besagtes Schicksal dann bei einer von Nelsons aktuellen Eigenkompositionen, welche das Album ebenfalls auf der LP-A-Seite enthält, zu, in dessen Titel er feststellt, dass er nie zu Beerdigungen geht: „I Don't Go To Funeral“. Übrigens eins der flottesten Stücke des Albums mit ausgiebiger Steel Guitar und Mundharmonika.
Neben insgesamt acht Cover-Versionen – von denen die geheimen Highlights das BEATLES-Cover „With a Little Help From My Friends“ und LEONARD COHENs extrem dunkel angehauchte Ballade „Tower Of Song“, beide auf der LP-B-Seite, sind – enthält „A Beautiful Time“ auch fünf neue Songs von Nelson, die er gemeinsam mit Buddy Cannon verfasste.
Ohne es abwertend zu meinen, ist „A Beautiful Day“ 'sehr altersgerecht' ausgefallen und lebt fast ausschließlich von den ruhigen Tönen, zu denen sich Nelsons Stimme bestens in seiner typisch charismatischen Stimmlage anpasst. Ganz klar und ausgezeichnet artikuliert klingt sein Gesang, aber keinesfalls gebrechlich, sonder so, als stünde der Musiker noch voll im Saft, um, nachdem er auf <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2021/Willie-Nelson/Thats-Life/" target="_blank" rel="nofollow">seinem letzten Album „That's Life“</a> ausgiebig FRANK SINATRA würdigte, sich nun ausschließlich selber zu würdigen.
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FAZIT: WILLIE NELSON bleibt sich, seiner Musik und seinem Können auch als 89 Jahre alter – im Grunde müsste man in Bezug zu diesem Album 'junger' sagen – Musiker auf „A Beautiful Day“ treu und zaubert 14 Country-Balladen aus seinem Cowboyhut, die aus neun Cover- und fünf Eigenkompositionen bestehen. Und wenn der letzte Song darauf „Leave You With A Smile“ heißt, ist das zugleich die Botschaft, die sich auch auf den Hörer von „A Beautiful Day“ übertragen wird.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.05.2022
Barry Bales, Kevin Grant
Willie Nelson
Bobby Terry, Willie Nelson, Mike Johnson, James Mitchell
Jim Brown, Catherine Marx
Chad Cromwell, Fred Eltringham, Lonnie Wilson
Mickey Raphael (Harmonika), Buddy Cannon, Melonie Cannon (Hintergrundgesang)
Legacy Recordings/Sony Music
59:47
29.04.2022