WILLY DEVILLE gehörte während dreier Jahrzehnte zu den schillerndsten Figuren der Rockszene. Der 1950 als William Borsey in der Nähe von New York geborene Musiker bezog sich stets auf seine musikalischen Vorbilder der 1950er- und 1960er-Jahre und schuf als Singer-Songwriter ein beachtliches Songbook. Der Musical Express bezeichnete ihn anno 1999 nicht vergebens als „Grandseigneur des gepflegten Liedguts“.
In der Rock-Szene war DEVILLE ein Paradiesvogel, eine Ausnahmeerscheinung. In seinem Nachruf – DEVILLE starb im Sommer 2009 an Krebs – beschrieb ihn Christoph Fellmann in einer Schweizer Tageszeitung als „hohen, schlaksigen Mann mit einem Strich von einem Oberlippenbart“, erinnerte an seine „Rüschenhemden, Binder und aus der Zeit gefallene Gehröcke“ und sah im gebürtigen New Yorker einen „Landlord der verlebten Sorte“.
In <a href="https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/rockpalast/video-willy-deville-100.html" target="_blank" rel="nofollow">seinen Aufnahmen und Konzerten</a>, namentlich in der Interpretation der zahlreichen Balladen im Cajun- oder Latino-Stil, ließ WILLY DEVILLE immer wieder seine Genialität als Sänger aufblitzen. Er war alles andere als ein abgebrühter Verwalter seines Liedguts, trug sein Herz auf der Zunge und agierte emotional, oft theatralisch und alles in allem ziemlich schrill. Seine Auftritte waren nicht berechenbar, die Bandbreite zwischen „mühsam“ und „brillant“ recht groß.
„Venus Of The Docks“ hier in der Reihe der Live-Einspielungen bewertend einzuordnen, wäre aber vermessen. Bleiben wir deshalb bei den Fakten. Das mitgeschnittene Konzert fand im Februar 2008 im Bremer „Pier 2“ statt und wurde von Radio Bremen mitgeschnitten; zum guten Glück, denn bloß etwas mehr als ein Jahr später starb WILLY DEVILLE in einem New Yorker Spital an Krebs. Aufnahmetechnisch hat man schon Ausgewogeneres gehört – wobei man gerechterweise festhalten muss, dass DEVILLE seines Stimmumfangs und vor allem seiner Dynamik wegen live wohl gar nicht so einfach zu fassen war.
Die Bremer Setlist umfasste das, was man von WILLY DEVILLE und seiner MINK DEVILLE BAND erwarten durfte, und alles in der charakteristischen und unvergleichlichen Mischung von Rock und Blues, Latin und Creole, Soul und Pop. DEVILLES eigene Songs wie beispielsweise „Spanish Stroll“, „Demasiado Corazon“ oder „Savoir Faire“ sind ebenso vertreten wie „Italian Shoes“ (seine Neufassung von Willie Tees „New Suit“) oder seine Hit-Version von Billy Roberts „Hey Joe“.
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FAZIT: Einmal mehr macht MIG Music eine lohnende Konzertaufnahme zugänglich, die sonst im Archiv ein stummes Dasein fristen würde – dafür gehört der Crew in Hannover wieder ein großes Dankeschön! Wer Konzerte von WILLY DEVILLE erlebt hat, wird jedenfalls mit „Venus Of The Docks“ aufs Erfreulichste an vergangene Zeiten erinnert.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.06.2022
Bob Curiano
Willy DeVille
Mark Newman
Darin Brown
Shawn Murray
Boris Kinberg (Congas, Washboard), Yadonna Wise, Dorene Wise (Backing Vocals), Willy DeVille (Harmonica)
MIG Music
74:51
25.02.2022