„Consolamentum“ nannten die Katharer ihr einziges Sakrament, eine rituelle Reinigung deren Zweck es war, Zugang zum gepredigten Heil zu erlangen. Der Aspekt der Reinigung des Geistes ist erstmal nicht mehr ganz so neu im Post-irgendwas-Genre, aber zu YEAR OF NO LIGHT passt es doch sehr gut.
Das Album ergeht sich in einer rituellen Stimmung, die sich zwischen erhabener Feierlichkeit und furchteinflößender, weil irgendwie größenwahnsinniger, Allmachtsphantasie bewegt.
Die Musik ist derart intensiv und einnehmend, dass der Hörer kaum bemerkt, dass er einem rein instrumentalen Album lauscht. Die Bassläufe drehen einem den Magen um, die Gitarren kriechen hinterhältig ins Ohr. Zuerst erschlägt „Consolamentum“ durch seine morbide, einnehmende Atmosphäre, mit der Zeit aber offenbaren sich bemerkenswerte Feinheiten in den zermürbenden Kompositionen.
Da wäre z.B. „Realgar“, das sich nach seinem ruhigen und melodischen Start zu einem monströsen Sound-Koloss aufbaut. Die Riffs gehen durch Mark und Bein, wühlen den Geist auf, treffen mitten ins Herz. Diese vertonte Beklemmung findet in „Came“ zu einer Metamorphose, an deren Ende schwarzmetallische Kälte auf hypnotischen Drone trifft.
Zuvor bereiten Songs wie der Opener „Objurgation“ den Geist auf einen stetigen Abstieg in die Dunkelheit vor. Wie zähe schwarze Lava bahnen sich die schweren Riffs ihren Weg. Unermüdlich, unaufhaltsam.
Doch was ist das?
Will „Alétheia“ dem ein kleines Licht entgegensetzen?
Jein! Anfangs klingt der Song fast locker und verträumt und doch tänzeln die Emotionen auf der sprichwörtlichen Rasierklinge. Jeder neue Schritt tut mehr weh, führt mehr in die brachiale, alles zermürbende Härte, in der sich die Musik schlussendlich suhlt.
Bei aller Intensität gibt es allerdings ein Problem: Als Hörer kommt man nicht umhin zu glauben, dass das Potenzial, das in dieser Musik liegt, nicht voll ausgeschöpft wurde. Die zweifellos vorhandenen Ansätze von emotionalen Extremen verpuffen irgendwie immer dann, wenn sie die erste Hürde beim Hörer überwunden haben. Die suggerierte Grenzerfahrung, die YEAR OF NO LIGHT mit „Consolamentum“ zweifellos bewirken könnten, bleibt aber leider aus, auch wenn „Interdit aux Vivants, aux Morts et aux Chiens“ nah dran ist.
<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/dEtpY_ZL5l4" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>
FAZIT: YEAR OF NO LIGHT schaffen es auf „Consolamentum“ leider nicht ganz, das riesige Potenzial, welches in ihrem Sound liegt, voll auszuschöpfen. Dafür bewegen sie sich noch zu sicher in den eigenen musikalischen Grenzen. Das tun sie zweifelsohne äußerst solide und mit bemerkenswertem Nachdruck. Aber genau dieses Eingrenzen suggeriert auch, dass diese Band zu weitaus größeren Taten fähig sein könnte, wenn sie ihren Emotionen wirklich freien Lauf lassen würde. Zügellosigkeit täte dem Material merklich gut. Davon mal abgesehen ist „Consolamentum“ aber immer noch ein starkes Stück instrumentaler Musik, das noch dazu sehr visuell angelegt ist.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.01.2022
Johan Sébenne
Shiran Kaïdine
Shiran Kaïdine, Jérôme Alban, Pierre Anouilh
Bertrand Sébenne
Bertrand Sébenne, Mathieu Mégemont
Johan Sébenne (Synths), Mathieu Mégemont (Synths)
Pelagic Records
55:15
02.07.2021