Kurz vor ihrem 20-jährigen Gründungsjubiläum veröffentlichen AHAB ihr fünftes Studioalbum, womit sie eine Plattenpause von acht Jahren beenden, wenn man den 2020 erschienenen Konzertmitschnitt "Live Prey" nicht mitrechnet. Verlernt haben die "Nautik Doom"-Metaller inzwischen gar nichts… falls sie sich nicht sogar steigern konnten.
"The Coral Tombs" beruht inhaltlich auf Jules Vernes Roman "20.000 Meilen unter dem Meer" (1869/70), einem vermeintlichem Erlebnisbericht des fiktiven französischen Professors Pierre Aronnax, der sich eben in ein aberwitziges Unterwasserreich begibt. AHAB haben diese Vorlage in einige ihrer abwechslungsreichsten und auf der melodischen Ebene fesselndsten Kompositionen bislang einfließen lassen.
Der achtminütige Opener ´Prof. Arronax´ Descent Into The Vast Oceans´ bietet Blastbeat-Sperrfeuer zum Einstieg, dann Zeitlupen-Tempo mit minimalistischem, cleanem Gitarrenspiel und klarem Gesang, schließlich wieder verzerrte Akkorde und eine ausgedehnte Lead-/Solopassage, die das Stück ausklingen lässt. Das etwas kürzere ´Colossus Of The Liquid Graves´ beruht auf einer unheilvollen Gitarrenmelodie, die Vocals sind abermals im Wechsel gesetzt, und die fluide Riff-Arbeit erzeugt ein offenes Bild im Sinne des zugrunde liegenden Narrativs, das trotz wiederkehrender musikalischer Motive eben nicht mit schlichten Strophe-Refrain-Strophe-Mustern umgesetzt werden kann.
´Mobilis in Mobili´ wälzt sich im Kern - das ruhige Intro ist lang, das letzte Viertel schaltet ebenfalls ein paar Gänge zurück - mit drückendem wie einprägsamem Death/Black-Riffing ins Langzeitgedächtnis, ihre zurückhaltende Art leben AHAB auch und gerade im fast-Titelstück ´A Coral Tomb´ aus, in das man sich vertrauensvoll ohne krasse Brüche fallenlassen darf. ´The Sea As A Desert´ wabert zu Beginn psychedelisch wie manches auf dem Vorgänger „The Boats Of The Glenn Carrig“ (2015) und wartet mit Daniel Drostes stärkster klarer Gesangleistung auf diesem Album auf. Der mit beinahe zwölfeinhalb Minuten längste Track ´Ægri Somnia´ ist ähnlich gestrickt, aber insgesamt finsterer. Im abschließenden ´Mælstrom´ glänzen AHAB dann wieder vor allem auf der melodischen Ebene - und unterstreichen somit ihre Alleinstellungsmerkmale im Funeral/Doom-Death-Segment, nämlich die markante Stimme ihres Frontmanns und ein Händchen für weitläufige, elegische Gitarrenlinien.
FAZIT: Die Gäste Chris Dark (Ultha) und Greg Chandler (Esoteric) sind auf "The Coral Tombs" quasi Makulatur, wenn man sich AHABs Weiterentwicklung zu einer melodisch eleganten und kompositorisch für Funeral-Doom-Verhältnisse nachgerade progressiven Band vor Augen hält. Die Platte ist ihrem bereits famosen Vorgänger mindestens ebenbürtig und eine kaum zu überbietende Steilvorlage für jeden anderen Genre-Act weltweit. <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/5081a0c6e44b4a37b86829a23241e6c0" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.01.2023
Stephan Wandernoth
Daniel Droste
Christian Hector, Daniel Droste
Daniel Droste
Cornelius Althammer
Napalm / SPV
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13.01.2023