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Reviews

Avenged Sevenfold: Life Is But A Dream…

Stil: Wahrhaft progressive Metal-Soul-Filmscore-Fusion

Cover: Avenged Sevenfold: Life Is But A Dream…

<img src="https://vg04.met.vgwort.de/na/0de278db361b4b72a60a067950dc7f1a" width="1" height="1" alt="">Was bin ich froh, Musikjournalismus in einem Segment zu betreiben, das sich darum bemüht, die künstlerische Vision eines Albums zu beschreiben sowie die Gefühle, die es auslösen kann. Allenfalls noch seine Bedeutung im allgemeinen Kosmos der Kultur zu skizzieren, jedoch nie dort zu hocken wie der Redakteur eines Musikerfachblattes oder ein Prog-Influencer a`la Become The Knight und ein Werk wie dieses allen Ernstes deswegen zu zerreißen, weil die Kickdrum ohne ersichtlichen Grund ein wenig zu weit links im Mix stünde oder die Gitarren angeblich so klingen „wie ein besseres Demo“. Was für ein Snobismus und vor allem: Was für eine freudlose Herangehensweise an das Leben und die Kunst. Wären sie nicht besser Finanzbeamte geworden?

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Um eine Ahnung davon zu bekommen, was Avenged Sevenfold auf ihrem neunten Studioalbum treiben, empfiehlt es sich, den Ritt durch das dritte bis fünfte Stück anzutreten. „Nobody“ durchlebt als narratives Groovemonster einige scheinbar zusammenhanglose Akte, die sich jedoch in perfektem Flow miteinander verbinden. Es groovt eben wie wahnsinnig, während M. Shadows über die Rhythmusorgie seinen souligen, zutiefst glaubwürdig aus der Tiefe hinaufbrodelnden Gesang ausbreitet und Brooks Wackerman die Spitzen seiner Sticks das Ride-Becken bespielen lässt, als seien sie zwei aufgeregte Kolibriflügel. Zwischendrin gibt es ein John-Petrucci-Gedächtnis-Gitarrensolo, das nicht der einzige Augenblick bleibt, durch den sich dieses Album auch als Methadon für Dream Theater-Süchtige eignet. Gegen Ende schnüren die dramatischen Streicher den kleinen Hörfilm schlüssig zusammen. Das darauf folgende „We Love You“ geht einen noch viel seltsameren Weg. „More power, more pace / More money, more taste“, sprechsingt Shadows in Rollenrede wie ein verrückt gewordener Turbo-Ökonom. „Build tall, build higher / Build far, build wider / Build here, build down / Build up, build now.“ Es bleibt unschwer zu erkennen, dass der Song eine ätzende Kritik an der Idee ist, dass endloses Wachstum möglich und nötig sei. Der Sprechgesang öffnet sich erneut in einen unverschämt eingängigen Refrain, der Song wechselt zwischen Vollgasgetrappel und erneuten Groove-Momenten und verknüpft Härte stellenweise mit der Leichtigkeit von Ambient, als sei das, worüber man redet, dann doch halb so wild oder nur mit Gelassenheit zu bekämpfen.

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Den oben genannten Dreier schließt in der ersten Hälfte das Albums mit „Cosmic“ ein Song ab, der seinem Namen als leicht ätherische Prog-Ballade gerecht wird, irgendwo zwischen Dream Theater und einem Hauch von Pink Floyd, während sich die zuvor skizzierten Lieder in einer Vergleichsorgie durchaus so bezeichnen ließen, als hätten sich King’s X, Soundgarden, System Of A Down, Slipknot und 24-7 Spyz zu einer gemeinsamen Fusionplatte geroffen. Der achte bis zehnte Song wiederum bilden auch wieder so ein markantes Paket. „G“, „(O)rdinary“ und „(D)eath“ bilden zusammen in der Tracklist senkrecht gelesen das Wort „GOD“ und deuten somit an, dass es auf dieser Platte im Grunde um alles geht. Musikalisch gibt sich „G“ funky und progressiv dreieinhalb Minuten lang einer Art Metal-Version von Weather Report hin, „(O)rdinary“ klingt, als spiele Andreas Vollenweider auf einmal Djent und „(D)eath“ ist allen Ernstes eine orchestrale Chanson-Filmmusik-Revue, bei der man Frank Sinatra mit Spazierstock über die Trümmer einer apokalyptischen Erde schreiten sieht.

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Du schaust dich im Netz um, in Magazinen, auf YouTube… von den sogenannten professionellen Kritikern hat niemand dieses Album gelobt. Weil es einem auch leicht macht, Angriffspunkte zu finden. Ja, der böse Witz, den „We Love You“ erzählt, hätte man auch kürzer fassen können. Ja, diese Platte ist in weiten Teilen überhaupt kein Metal mehr, ach du Schreck. Und ja, auf „(O)rdinary“ verzerrt Shadows seine Stimme mit Autotune. Aber ist schon mal jemand auf die Idee gekommen, dass all dieser wahnsinnig wirkende Eklektizismus genau so gewollt gewesen sein könnte?

FAZIT: „Wir sind bloß für eine kurze Zeit hier“, sagte Shadows dieses Jahr in einem Interview mit Kerrang, „also mach die Musik, die du machen willst, kühn.“ Damit ist alles gesagt zum neunten Werk von Avenged Sevenfold, die sich ständig verwandelt, die provoziert, überrascht und gerade dadurch progressiver ist als viele konservative Gniedler, die sich so nennen.

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.09.2023

Tracklist

  1. Game Over
  2. Mattel
  3. Nobody
  4. We Love You
  5. Cosmic
  6. Beautiful Morning
  7. Easier
  8. G
  9. O)rdinary
  10. (D)eath
  11. Life is But a Dream...

Besetzung

  • Bass

    Johnny Christ

  • Gesang

    M. Shadows

  • Gitarre

    Synyster Gates, Zacky Vengeance

  • Keys

    M. Shadows, Synyster Gates

  • Schlagzeug

    Brooks Wackerman

Sonstiges

  • Label

    Warner

  • Spieldauer

    53:25

  • Erscheinungsdatum

    02.06.2023

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