War da nicht mal was?
Richtig: CHARLOTTE BRANDI arbeitete zwischen 2009 und 2018 mit MATZE PRÖLLOCHS in dem Berliner Duo ME & MY DRUMMER zusammen, bevor sie nach dessen Auflösung 2019 ihr Solo-Debüt unter dem Namen „The Magician“ veröffentlichte. Bei beiden Projekten bediente sie sich noch der englischen Sprache als Kommunikationsmedium.
Der Wechsel zum Deutschen auf Basis selbstverfasster Gedichte kam dann auf Anraten ihres alten Freundes TRISTAN BRUSCH mit der in die Pandemie hineinkomponierten EP „An das Angstland“ von 2020 zustande.
Das Experiment gelang so gut, dass die Musikerin beschloss, auch ihr nun vorliegendes zweites Album „An den Alptraum“ - quasi als Fortsetzung der EP – basierend auf deutschsprachigen Gedichten aufzulegen.
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In Kombination mit ihren eklektischen musikalischen Inspirationsquellen und den autobiographischen Inhalten, welche sie in ihrer Poesie einbindet, entstand so eine ganz neue Lied-hafte Ästhetik, mit der sie sich auch als Performerin und Interpretin sehr wohl zu fühlen scheint.
Zu den erwähnten musikalischen Inspirationsquellen zählen dabei so unterschiedliche Sachen wie US-Indie-Pop, Folklore, 80's Flair, Americana-Sprengsel, Kunstlied-Ästhetik und sogar Kirchenmusik (wie das grandiose A Capella-Setting des Openers „Ekel“ vermuten lässt).
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Tatsächlich ist „An den Alptraum“ sehr viel weniger clever konstruiertes Kopfkino a la „The Magician“ als vielmehr Ausdruck eines Lebensgefühls und eines neu entdeckten Selbstverständnisses als Musikerin und Texterin.
Was die Inhalte betrifft, so geht es der deutschen Musikerin nicht darum, ihr Leben auszubuchstabieren, sondern genau das zuvor angesprochene Selbstverständnis auf poetische Weise sprachlich anregend zu realisieren. Gedichte sind halt nun mal Gedichte und keine Tagebucheinträge. Dennoch bilden durchaus reale Alpträume die Basis für alle Songs, welche sie dann auch zur Selbstanalyse und dem kreativen Verarbeiten von Seinzuständen nutzt.
Klassischer Deutschpop kommt dabei natürlich nicht heraus – aber in vielfacher Hinsicht ist „An den Alptraum“ der Beginn von etwas ganz Eigenem, Neuem – nicht nur für CHARLOTTE BRANDI selbst.
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FAZIT: Der augenfälligste konzeptionelle Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Solo-Album von CHARLOTTE BRANDI ist der Wechsel vom Englischen ins Deutsche. Zugleich setzt sie bei „An den Alptraum“ noch eins drauf, denn ihr zweites Album ist in einem FLINTA-Umfeld entstanden. Nicht weil sie damit ein politisches Statement vertreten, sondern als Experiment einfach sehen wollte, was sich ändert, wenn sie künstlerisch und kreativ nicht mit Männern zusammenarbeitet. Auf diese Weise konnte sie Energie und Zeit sparen, die sie sonst dafür investieren musste, sich in Konkurrenzsituationen und auf kreativer Hinsicht gegen die Herren der Schöpfung durchzusetzen. Stattdessen fand sie in kollaborativer Hinsicht mit den beteiligten Damen zu einem effektiveren Arbeitsprozess, der nicht ständig ausdiskutiert werden musste. Als Nebeneffekt bedingte dies zudem, dass sie ihr Album gleich selbst produzierte. Sehr viel mehr CHARLOTTE BRANDI ist kaum möglich.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.02.2023
Shanice Ruby Bennett
Charlotte Brandi
Charlotte Brandi, Isabel Ment
Charlotte Brandi
Aine Fujioka, Linda-Philomène Tsoungui
Listenrecords
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10.02.2023