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Chris Cubeta: Apoe

Stil: Singer/Songwriter, Indie, Folk, Rock, Pop

Cover: Chris Cubeta: Apoe

<b>„Diese Platte war notwendig, weil ich mich wirklich am besten fühle, wenn ich Material schreibe und aufnehme, das mir etwas bedeutet. Es ist ein komplizierter Prozess, der auf einer tiefen Liebe und Leidenschaft für das, was ich tue, beruht, aber auch auf einer Menge Unsicherheiten in Bezug auf meine 'Künstlerschaft' und mein Engagement dafür.“</b> (Chris Cubeta)

Na, wer errät, was als Motiv auf dem Frontcover der LP „Apoe“ von CHRIS CUBETA abgebildet ist?
Die Lösung findet sich, sowie man die LP umdreht: Ein rothaariger Junge, der aus den Tiefen eines Sees auftaucht und dann ziemlich böse (oder traurig, oder nachdenklich, oder bedrückt) über den Steg blickt.
Was hat das mit „Apoe“ zu tun?
Eine ganze Menge, denn auch der Hörer taucht mitunter tief ab in dieses Album und dann überraschend immer wieder auf. Bereits nach dem ersten „Apoe“-Hördurchgang des New Yorker Songwriters, Multiinstrumentalisten, Session Musikers und Studiobesitzers wird sich der Blick des Hörers ganz bestimmt nicht so verfinstern wie der des (im doppelten Sinne) aufgetauchten Jungens. Eher wird man anfangs etwas traurig und nachdenklich vor seiner Anlage zurückbleiben.

CHRIS CUBETA, ein hoch angesehener Session-Musiker und Studio-Besitzer aus New York, der auch als Singer/Songwriter ungeahnte Qualitäten entwickelt, die ihre Wurzeln in den besseren 80er-Jahre-Zeiten, als neben dem oft nervenden New Wave gerade solche Bands wie TALK TALK oder die PET SHOP BOYS ebenfalls den Radio-Äther eroberten, aber auch dem 90er-Jahre-Grunge haben, wandelt mit „Apoe“ zwischen hymnischem (Synthie-)Pop sowie bedrückender Melancholie und knüpft dabei an seine eigenen alten Zeiten an, als er von 2000 bis 2012 gemeinsam mit seiner Band als CHRIS CUBETA AND THE LIARS CLUB ein paar Platten aufnahm und viel tourte: „Wir haben uns damals eine anständige Fangemeinde in New York City aufgebaut und ich war sogar ein paarmal in Deutschland auf Tour.“

Nun also kehrt er überraschend solistisch nach gut 10 Jahren mit diesem Solo-Album zurück, dessen Auslöser ein sehr trauriger Grund ist, der auch die oft ähnlich traurige Stimmung hinter „Apoe“ erklärt, wozu CHRIS CUBETA unumwunden zugibt: „Der Hauptgrund für die Aufnahme dieses Albums waren meine persönlichen Bedürfnisse. Ich kämpfe mit Depressionen, seit ich etwa 14 Jahre alt bin, und ich glaube, mit Mitte/Ende 30 habe ich mich wirklich damit auseinandergesetzt, ob ich ein 'echter' Künstler bin oder nicht. Was auch immer das bedeutet.“

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Ähnlich bedrückend sieht es mit dem Album-Titel, für den sich Cubeta entschied, aus, denn dieser wurde „durch die Alzheimer-Diagnose meiner Mutter im schockierend jungen Alter von 57 Jahren angestoßen“.

Und wem das alles noch nicht genügt, um diesen emotionalen Tiefgang hinter „Apoe“, auf dem Cubeta neben den Tasteninstrumenten auch Gitarre, Bass und Schlagzeug spielt, zu verstehen und zu begreifen, wie sehr in der Kunst immer Wahnsinn und Genie Hand in Hand gehen, dem gibt er, der drei Jahre lang intensiv an seinem Album arbeitete, noch eine seiner intensivsten Erfahrungen der letzten 5 Jahre mit auf den Weg: „In den letzten fünf Jahren war ich fast jede Woche in Therapie, und einen großen Teil der Zeit habe ich damit verbracht, Musik zu schreiben und mich mit einigen Dingen aus meiner Kindheit auseinanderzusetzen, die mich zu der Person gemacht haben, die ich bin und sein möchte. Meine Frau und ich haben vor kurzem ein kleines Mädchen adoptiert, und das hat mich, zusätzlich zur Krankheit meiner Mutter, dazu gebracht, über meine eigene Sterblichkeit und Gesundheit nachzudenken.“

Oft leben daher die Songs auf „Apoe“ von Synthieflächen, Streicherpassagen und Drumloops sowie der eindringlichen Cubeta-Stimme, die ihre traurigen Geschichten erzählt, welche einen beispielsweise mit „I'm Tired Of This“ (Leider fehlen in der LP die Text bzw. ein Textblatt!) emotional tief berühren, wenn er in der nachdenklichen, sich immer mehr bombastisch aufbäumenden Ballade zu dem Schluss kommt: „Wir haben unserer Zeit mit einer Lüge verschwendet, auf meinem Grabstein wird aber stehen, dass ich es versucht habe...“

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FAZIT: Infolge von traurigen Erfahrungen und Depressionen und genau den Geschichten, die das Leben so schreibt, von denen man aber nicht wirklich selber betroffen sein will, kehrte CHRIS CUBETA aus seiner über 10-jährigen musikalischen Abstinenz – nachdem er bis 2012 erfolgreich mit CHRIS CUBETA AND THE LIARS CLUB speziell in der New Yorker Musik-Szene unterwegs war – mit diesem Solo-Album „Apoe“, dessen Auslöser die Alzheimer-Krankheit seiner 57-jährigen Mutter war, zurück. Hymnische, oft traurige, sehr gut produzierte Balladen zwischen melancholischem Synthie-Pop der Marke TALK TALK und etwas Grunge lassen dem Hörer keine Chance, sich der bedrückend-geheimnisvollen Aura hinter „Apoe“ zu entziehen.

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.04.2023

Tracklist

  1. <b>Seite A</b> (20:06):
  2. Birthdays (5:52)
  3. Architect (5:36)
  4. I'm Tired Of This (5:22)
  5. Vicious (3:26)
  6. <b>Seite B</b> (15:58):
  7. Francis (3:38)
  8. Dirt (5:42)
  9. When Things End (3:15)
  10. There Is No God (3:23)

Besetzung

  • Bass

    Gary Atturio, Chris Cubeta

  • Gesang

    Chris Cubeta

  • Gitarre

    Chris Cubeta, Jeff Berner

  • Keys

    Chris Cubeta, Gary Atturio

  • Schlagzeug

    Chris Cubeta

  • Sonstiges

    Rob Moose (Streicher-Arrangements), CJ Camerieri (Trompete), Gary Atturio (Schlagzeugprogrammierung)

Sonstiges

  • Label

    Make My Day Records/Indigo

  • Spieldauer

    36:04

  • Erscheinungsdatum

    07.03.2023

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