Wenn CITY AND COLOUR-Mastermind Dallas Green beziehungsweise sein Label "The Love Still Held Me Near" als "persönliches und kathartisches Werk" bezeichnet, will das angesichts des ohnehin äußerst gefühlsbetonten Schaffens des Künstlers Erwartungen schüren. Enttäuscht werden selbige sicherlich nicht, denn die Platte berührt und begeistert wie von Green gewohnt zu gleichen Teilen. Das eigentlich Beeindruckende daran sind aber die kunstvollen Arrangements, denn hier wird das Maximum mit minimalen Mitteln erzielt.
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Die Texte der neuen Tracks entstanden unter dem Eindruck eines großen Verlusts, den Green nicht weiter benennt. Jedenfalls ist Dankbarkeit für das Leben als nicht selbstverständliches Geschenk der Grundtenor des Albums, und das hat für die Stimmung des Materials Konsequenzen. Der Opener ´Meant To Be´ und ´Without Warning´ sind langsame Balladen mit herzerweichenden Refrains, der federleichte Popsong ´Underground´ verbreitet hingegen mit klingelnden Gitarren und Orgel Sehnsucht.
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Die wenig offensichtliche Single ´Fucked It Up´ ist eine intime Akustikballade, die sich mit knarzender E-Gitarre und Schlagwerk dezent hochschraubt, während die schummrigen Stücke ´A Little Mercy´ und ´After Disaster´ mit leichtem Soul-Flair (nicht zuletzt wegen der eingesetzen Kopfstimme) aufwarten; das leise rasselnde ´Things We Choose To Care About´ fährt gemeinsam mit dem Miniepos ´Bow Down To Love´ (inhaltlich vielleicht die Schlüsselnummer des Albums) ohne Eile auf einer staubigen Fernstraße entlang in Richtung der untergehenden Sonne.
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Das hintergründig verspielte Geklimper ´The Love Still Held Me Near´ hätte genauso wie das ein bisschen Americana-mäßige ´Hard, Hard Time´ auf seine streckenweise aufbrausende Art auch von Jeff Buckley stammen können - wie "The Love Still Held Me Near" überhaupt stark vom Geist der "alternativen" frühen 1990er umweht wird. Gegen Ende wird das Album dann auch beinahe euphorisch - höre ´The Water Is Coming´ - oder gibt sich zumindest der Akzeptanz dessen hin, was ist, statt darüber zu trauern, was nicht sein kann… Staub abklopfen, und wieder von vorne (´Begin Again´)!
FAZIT: Auf "The Love Still Held Me Near" erweitert Dallas Green vor allem seine Klangfarbpalette. Darüber hinaus hat Mr. CITY AND COLOUR seine Songwriting-Fähigkeiten weiter verschärft und bietet zumeist aufgeräumte Strukturen, die jedoch nicht dichter aufgefüllt sein könnten - sowohl inhaltlich als auch musikalisch wohlgemerkt. Das siebte Studioalbum des kanadischen Projekts sticht seinen Vorgänger "A Pill For Loneliness" in puncto Eindringlichkeit aus und enthält einige Songs, die in dem Maße sowohl erschüttern als auch erheben, wie es nur ganz Wenige im Rock und Pop auf die Reihe kriegen. <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/cc9401e9037a45db89524302d74be792" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.03.2023
Matt Kelly
Dallas Green
Dallas Green
Still / Dine Alone / Membran
49:34
31.03.2023