Kunst und Wahnsinn sind bekanntlich miteinander verwandt. Die Kanadier CRABE übertreiben es aber damit diese Verwandtschaft zu feiern. Aber zunächst zu den Pluspunkten von „Visite Du Temple Inné“: Die Musik klingt unkonventionell und feiert das Chaos, wird dem ursprünglichen Punk-Gedanken also durchaus gerecht. Außerdem wird in all dem musikalischen Wust doch immer mal deutlich, dass die Musiker wissen, was sie hier tun, denn so abgehackt-chaotisch Stücke wie „Nightmom“ auch klingen, sowas schüttelt man sich nicht mal eben aus dem Ärmel, während man sich eine Brotzeitstulle schmiert.
Allerdings bedarf es eben doch etwas mehr als nur instrumentaler Fähigkeit, um gute Musik zu erschaffen. Und unter diesen Gesichtspunkten kommt der verquere klangliche Ansatz, den CRABE an den Tag legen, der Option auf eine breit angelegte Hörerschaft mehr als einmal in die Quere. Denn wo Jahrmarktgedudel auf Sprechgesang und hysterisches Geschrei trifft, ist auch Zirkusmusik nicht weit („Nos pères se meurent“), ebenso kurz ist aber der Abstand zwischen dem physischen Produkt dieses Albums und dem heimischen Mülleimer.
Klar, irgendwo hat dieses Krach-Orchester auch seinen Charme.
Aber das heißt noch lange nicht, dass es sinnvoll ist, diese anfänglich amüsante Penetranz bis zum Erbrechen auszureizen. Da CRABE aber genau diesen Ansatz verfolgen und wenig daran interessiert sind, den Hörer mit Wohlklang zu langweilen, ihn vielmehr einem knapp dreiviertelstündigen Stresstest unterziehen, findet dieser „Besuch des innewohnenden Temples“ seinen Ausweg letztendlich im heimischen Sondermüll.
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FAZIT: Wer sein Stresslevel mal wieder auf die Probe stellen will, ohne dabei auf die täglichen Nachrichten oder nervige Mitmenschen zurückzugreifen, der ist mit „Visite Du Temple Inné“ sicherlich gut beraten. Wer dagegen Musik in erster Linie zum Genuss oder zur persönlichen Erbauung hört, der wird mit CRABE wohl kaum froh.
Punkte: 4/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.11.2023
Les Disques Dure Vie
42:06
13.10.2023