Schon seit sich die ursprünglich sieben Mitglieder des inzwischen zum Quartett geschrumpften Ensembles DARLINGSINDE 2009 an der Uni in Boston zusammenfanden, war klar, dass es sich dabei um ein kollaboratives Unternehmen handeln sollte, bei dem vor allen Dingen die gesanglichen Fähigkeiten der vier Gründungsmitglieder DON MITCHELL, AUYON MUKHARI, HARRIS PASELTINER und DAVID SENFT – die auch allesamt als Songwriter agieren – im Vordergrund stehen würden. Bis zu ihrem ersten Pandemie-Album, dem 2020er Werk „Fish Pond Fish“, ging dieses Konzept überzeugend auf. DARLINGSIDE fanden einen Weg, sich als Band ohne festen Drummer in einem dem Bluegrass entlehnten Setting (bei dem sich die Musiker um ein einziges Mikro versammeln), aber mit einer eigenen Kammerpop-Ästhetik und der engen songwriterischen Zusammenarbeit nicht nur gesanglich als gleichberechtigt agierende Einheit zu präsentieren, bei der alle Beteiligten ihre Egos zugunsten des jeweiligen Songmaterials hintanstellten.
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Die zunehmenden Einschränkungen der Pandemie stellten dieses Konzept dann insofern auf eine harte Probe, als dass es nun nicht mehr ohne Weiteres möglich war, so eng zusammenzuarbeiten wie bislang. Deswegen beschlossen DARLINGSIDE aus der Not eine Tugend zu machen und dieses Mal den individuellen Qualitäten der vier Kernmitglieder Raum zur Entfaltung zu geben. Während die traumhaften Gesangsharmonien der vier Protagonisten nach wie vor die Basis des gemeinsamen Tuns bilden, wechseln sich die vier Bandgründer nunmehr als Lead-Vokalisten von Song zu Song ab und singen nicht mehr wie bisher als vier Personen mit einer Stimme.
Dennoch ist „Everything Is Alive“ immer noch ein demokratisch-kollaboratives Projekt, denn die stilistisch bemerkenswert vielseitig und unterschiedlich ausgerichteten, individuell geschrieben Songs wurden wie gewohnt gemeinsam erarbeitet und ausformuliert.
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Inhaltlich werden die verschiedenen persönlichen und universellen Unbilden diskutiert, die im Umfeld der Pandemie-Phase das Denken wohl so ziemlich aller bestimmte. Das kann zu so unterschiedlichen Ergebnissen führen wie dem spirituell/transzendenten Hippie-Opener „Green Light“, der romantischen Folk-Pop-Nummer „Eliza I See“ (dem heimlichen Mitsing-Hit des Albums), dem eskapistischen „Sea Dogs“, der fast A Capella vorgetragenen Folk-Hommage „How Long Again“ oder dem existenzialistischen „I Can't Help Falling Apart“. Doch egal wie unterschiedlich diese Ansätze auch sein mögen: Über den Gesang finden alle konsequent zum klassischen DARLINGSIDE-Sound zusammen. Letztlich schafften es DARLINGSIDE mit diesem Konzept ein überraschend vielseitiges, facettenreiches musikalisches Angebot mit vielen interessanten Zwischentönen zu offerieren – ohne dabei ihrem Ansatz als Folk-Pop-Band mit hohem Wiedererkennungswert gänzlich untreu werden zu müssen.
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FAZIT: Vor allen Dingen musikalisch weiten DARLINGSIDE ihr Klangspektrum gegenüber des Vorgängerwerks nochmals aus und experimentieren mit Synthesizern, einem Streicher-Quartett, Gospel-Chören, Piano-Sounds und im Falle der Kitchen-Sink-Operette „Baking Soda“ mit einer Bläser-Sektion. Sogar einen Drummer leistete man sich erstmals seit der Anfangstage wieder, wobei Studio-Drummer BEN BURNS künftig DAVID SENFT (der aus persönlichen Gründen nicht mehr auf Tour gehen möchte) auch auf der Bühne vertreten wird. Mit sicherer Hand sorgt hierbei der Produzent Tucker Martine hinter dem Mischpult für die musikalische Balance, während DARLINGSIDE selbst unter Einbeziehung individueller Aspekte immer noch am Besten als Einheit mit einem typischen Sound funktionieren. Das Wagnis, vom ursprünglichen Konzept abzuweichen, hat sich durchaus gelohnt.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.07.2023
David Senft
Don Mitchell, Auyon Mukharji, Harris Paseltiner, David Senft, Molly Parden
Don Mitchell, Harris Paseltiner
Ben Burns
Thirty Tigers
40:35
28.07.2023