„without entering in ‚core‘ metal concept“ – Die kurze Band-Biographie dieses zum Quartett angewachsenen Familienprojekts der spanischen Brüder Cristian und Daniel Juárez weist in etwas holprigem Englisch ausdrücklich darauf hin, dass DAWN OF EXTINCTION keine Metalcore-Band seien. Angesichts der angekündigten Mischung aus Thrash und Death Metal mit Melodien liegt offenbar der Verdacht nahe. Zurecht. Wenn man sich den clean interpretierten Refrain des ansonsten harsch eingesungenen Openers „Beyond The Fear“ (und aller weiteren Tracks!) zu Gemüte führt, entsteht hingegen ein anderer Eindruck. Das Wechselspiel zwischen derben und seichten Vocals ist ja gerade zum Metalcore-Klischee schlechthin verkommen. Der Wunsch, sich von diesem Genre abzugrenzen, wird also nicht dadurch erfüllt, dass man, nach subjektiver Auffassung, den größten musikalischen Aufreger der 2000er als tragendes Stilelement inkorporiert. Wie sagt man so schön: Ehrlich währt am längsten.
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Cleane Vocals hin oder her – auch sonst sind DAWN OF EXTINCTION davon entfernt, genug Eigenes abseits moderner Metalcore-Trademarks vorzuweisen. Im oft kopierten Melodic-Death-Metal-Einerlei schimmert immer wieder das Stakkato durch, wie man es von amerikanischen Bands der Marke UNEARTH kennt, wobei jene ein positiveres Bild abgeben. Genretypisch kulminiert diese Spielweise darin, dass die Songs manchmal durch massive Breakdowns in ihrem Fluss gehemmt werden („The Monster Inside“). Das soll aber fairerweise nicht heißen, dass DAWN OF EXTINCTION nur diese Klaviatur beherrschen würden. Old schoolige Göteborg-Einlagen und ausgedehntere Blastbeat-Attacken lassen hier und da aufhorchen (etwa im Titeltrack „From Tears To Vengeance“), während die Lead-Gitarren-Fraktion grundsätzlich großen Wert darauf legt, durchaus gefällige Harmonien einzustreuen und die Songs mit ansprechenden Solo-Parts zu durchsetzen. Fähig und spielfreudig mögen die Spanier demnach zwar sein, dennoch fallen manche Entscheidungen einfach geschmäcklerisch aus. Neben dem Genannten seien noch die Mitgrölpassage aus „Underrated“ oder die unausgewogene Produktion, die an der Gitarre zu lasch und am Schlagzeug zu druckvoll daherkommt, angeführt. Beides entpuppt sich dabei, wie eigentlich auch der Rest der knappen halben Stunde Musik, als Versuch, einer Metalcore-hungrigen Crowd gerecht zu werden.
FAZIT: „Best Metal Album on the Year” (sic!) – Obgleich DAWN OF EXTINCTION für eine derartige Auszeichnung laut Band-Bio öfter mal nominiert wurden, dürften die vier Spanier zumindest mit dem pathetisch bezeichneten „From Tears To Vengeance“ außerhalb der Modern-Metal-Szene keine Preise abräumen. Dafür ist das mehr als solide eingespielte Material zu festgefahren in allseits bemühten Genre-Standards, die man von einer ganzen Armada weichgespülter, massentauglicher Melodic-Death-Vertreter mit „Core-Konzept“ kennt. Da wirken gelegentliche Härte-Eruptionen fast schon alibimäßig.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.09.2023
Marcos Morales
Cristian Juárez
Cristian Juárez, Daniel Juárez
Alexis Gálvez
Art Gates Records
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24.03.2023