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Ed Snodderly & The Shoestring Seven: Chimney Smoke

Stil: Americana, Singer/Songwriter, Folk

Cover: Ed Snodderly & The Shoestring Seven: Chimney Smoke

„Chimney Smoke“ ist bereits das 10. Album des aus Knoxville, Tennessee stammenden Songwriter-Veteranen ED SNODDERLY. Dass der Mann selbst in Americana-Kreisen nicht das Standing hat, das ihm nach 50 Jahren im Geschäft eigentlich zustünde, liegt sicherlich daran, dass er mit seinem von den musikalischen Appalachen-Traditionen seiner Heimat inspirierten Stilmix aus Folk, Blues, Country und Bluegrass seiner Zeit voraus war, als er Mitte der 70er-Jahre seine Laufbahn als Recording Artist begann; denn damals gab es den Begriff Americana und die damit verbundene Szene noch gar nicht.

Aber ED SNODDERLY ist auch kein Mann, der die große Karriere als Rockstar anstrebte, sondern sich – aus der Liebe zur Musik – der Traditionspflege seiner Heimat verpflichtet fühlte und immer wieder auf ein Projekt zurückkam, welches er bereits 1976 startete, als er die in Troubadour-Kreisen seither legendäre Spielstätte „Down Home Coffeehouse And Pickin' Parlor“ in Johnson City, Tennessee mit begründete. Dort gaben sich die Legenden der Zunft – beispielsweise JOHN LEE HOOKER, QUEEN IDA, RAMBLIN' JACK ELLIOT oder TOWNES VAN ZANDT die Klinke in die Hand, während Snodderly zugegen war und sich um den Club kümmerte. Seit 1992 lehrt Snodderly zudem Songwriting an der East Tennessee State University.

Fast Forward: Auch sein 2023er Album „Chimney Smoke“ ist wieder eine musikalische Hommage an seine Heimat, die sich nicht nur im Titel des Albums manifestiert, sondern auch dadurch, dass Snodderly die Sache musikalisch mit Hilfe des SHOESTRING SEVEN-Ensembles dezidiert mit einem gewissen Southern-Touch anrichtete und sich obendrein eine beeindruckende Riege von Gast-Vokalisten aus dem Americana-Umfeld zur Unterstützung einlud. Wer sich beispielsweise GRETCHEN PETERS, MALCOLM HOLCOMBE oder AMYTHIST KIAH (Snodderlys Schülerin) als Harmoniesänger(innen) leisten kann, der hat als Songwriter mit Sicherheit einiges richtig gemacht.

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Und so ist das auch: „Chimney Smoke“ überzeugt vor allen Dingen durch eine bemerkenswert ausgeglichene Balance – nicht nur auf der musikalischen Seite, indem die verschiedenen Versatzstücke des Genres anteilig bedient werden, sondern auch in dem Sinne, dass Snodderly und Co. augenzwinkernden Humor, philosophische Nachdenklichkeit, Traditionspflege und Spielfreude miteinander in Einklang bringen. Snodderly nimmt zwar seine Musik – aber nicht immer die Persönlichkeit seiner Erzähler wirklich ernst und spielt in Songs wie „Better Just Ride The Mule“, „Jump Dance South“ oder „Crow's Fever“ mit selbstironischen inhaltlichen und musikalischen Klischees, allerdings ohne dabei jemals in die Parodie abzugleiten. Andererseits schafft er es mit Songs wie dem Titeltrack, „Barn“, „Gone With Gone And Long Time“ oder „Just Like You River“ Nostalgie und universelle Kontemplationen (etwa über den Lauf der Zeiten oder das Thema Trauer) ganz ohne Männerschmerz-Tendenzen oder politische Ambitionen zu einem nur leicht romantisierenden Rückblick auf sein Leben zu verdichten.

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FAZIT:
Zwar legen ED SNODDERLY und seine Musiker – allen voran Gitarrist KENNY VAUGHAN - viel Wert auf musikalische Authentizität und spielen so etwa ausschließlich auf Vintage-Gitarren aus den 30er-, 50er- und 60er-Jahren. Das heißt aber nicht, dass sie sich alleine als museale Kuratoren verstehen. Die Songs von „Chimney Smoke“ werden jedenfalls mit erstaunlicher musikalischer Leichtfüßigkeit dargeboten und überraschen zuweilen gar mit artfremden Elementen: „Just Like You River“ und „Crow's Fever“ etwa mit opulenten Streicher-Arrangements, „Walking In Sunshine“ mit Tom-Petty-Gitarrenpop-Flair, „Barn“ kommt mit einer Country-Hoedown-Rock-Note daher, während „Jump Dance South“ mit einem gewissen Dylan-goes-Rock-Ansatz überzeugt. Und noch etwas zeichnet „Chimney Smoke“ musikalisch aus: Anders als bei vielen seiner Zeitgenossen, ist Snodderlys Stimme im Laufe der Zeit nicht brüchig oder heiser geworden, sondern erfreut sich immer noch einer gewissen jugendlichen Frische. „Chimney Smoke“ ist ein Album, welches zeigt, dass Americana-Musik – bei aller Traditionspflege - gar nicht rückwärtsgewandt sein muss, wenn man sich nur ein bisschen Mühe gibt.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.07.2023

Tracklist

  1. Better Just Ride The Mule
  2. Gone With Gone And Long Time
  3. Chimney Smoke
  4. There You Are
  5. Barn
  6. Just Like You River
  7. Jump Dance South
  8. Crow's Fever
  9. Walking In The Sunshine Again
  10. Before School
  11. So Far Away

Besetzung

  • Bass

    Gary J. Smith, Chris Scruggs

  • Gesang

    Ed Snodderly

  • Gitarre

    Ed Snodderly, Steve Hinson, Kenny Vaughan

  • Keys

    Steve Conn, Kenny Vaughan

  • Schlagzeug

    John Gardner

  • Sonstiges

    Shawn Camp (Mandolin)

Sonstiges

  • Label

    Majestic Records

  • Spieldauer

    30:54

  • Erscheinungsdatum

    21.07.2023

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