<b>„Musik zu schreiben ist ein Prozess, der sich für mich manchmal wie eine Wiedergeburt anfühlt. Er ist die Magie der Überwindung und des Wachstums.“</b> (Elisa Giulia Teschner)
Bereits ein Blick auf das LP-Cover von ELLEREVEs Debüt-Album „Reminiscence“ weckt (durchaus wohl auch ein wenig erotisch beabsichtigte) Neugier, denn es strahlt eine dunkle und bei dem Motiv der nackten Musikerin inmitten einer Felslandschaft, deren Gesicht von ihrem langen Haar und deren Körper teilweise von einem schwarzen Schleier bedeckt wird, einerseits tiefe Intimität verbunden mit einem deutlichen Hang zu melodramatischer Mystik aus. Ideal – denn auch die Musik auf „Reminiscence“ trägt genau diese Eigenschaften durchgängig in sich.
So wird das Album in Form eines kurzen Intros auf „Crossamer Wings“ mit einem tiefer als tiefen Bass fast brummend eröffnet – als würde gerade ein U-Boot abtauchen und seine U96-Signale aussenden – während sirenenhaft verfremdeter Gesang sich aus der Tiefe erhebt. Dann aber der Lichtstrahl! Eine akustische Gitarre und bewegender, deutlich in den Vordergrund gemischter, weiblicher Gesang, der vom Kaliber einer SUZANNE VEGA und ANNA TERNHEIM oder ANDREA SCHROEDER und ganz besonders BJÖRK ist. Doch auch die E-Gitarren dürfen Härte beweisen, wenn sie uns zum „Infinite Light“ führen.
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Überhaupt spielen die extrem tiefen, pumpenden und dröhnenden Bässe besonders auf der LP-A-Seite eine sehr bedeutende Rolle, verleihen dem gesamten Album eine finstere Stimmung, die immer wieder durch die klare, oft akustische Instrumentierung durchbrochen wird und den immer stärker variierenden, charismatischen Gesang betont. Der wiederum wird mitunter durch postrockige 'Wall Of Sounds'-Momente aufgelöst, um manchmal gar in dreampoppiger Entspanntheit dahinzuschweben.
Die Kombination der musikalischen Gegensätzlichkeiten aus elektronischen (wabernde Synthesizer, viel Hall, verzerrte Gitarren mit einem Hang zum Black Metal) und organischen Sounds (akustische Instrumente) perfektioniert diese geheimnisvolle Stimmung aus Finsternis und bedrohlicher Harmonie nur noch. Sie verleihen der Musik von ELLEREVE, in deren Mittelpunkt die deutsche Singer/Songwriterin Elisa Giulia Teschner steht, etwas Geheimnisvolles und eine Aura, welche bereits das Platten-Cover eindrucksvoll verbreitet und sich besonders intensiv auf der ersten LP-Seite verwirklicht.
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Leider gelingt es der LP-B-Seite nicht ganz, die hohe Qualität der ersten Seite zu halten, selbst wenn es auch hier ein paar neue Klangansätze gibt, wie beispielsweise der Song „Somewhere“, der mit Sprechgesang der Marke ANNE CLARK eingeleitet wird, sich dann aber in härtere Gefilde verabschiedet.
Postrockig geht das Album dann auch zu Ende, das leider während der letzten Viertelstunde der insgesamt nur 32 LP-Minuten etwas abflacht, da es mehr auf die black-metallischen als die verträumteren dark-folkigen Stimmungen der ersten Seite setzt. Fast erscheint es so, als wären ELLEREVE hier dem für seinen Black Metal hoch gelobten und erfolgreichen Label Eisenwald Record mit etwas mehr Härte entgegengekommen.
Die anfängliche Verspieltheit hält sich daher in Grenzen und weicht der dunklen, oft von E-Gitarren dominierten Härte, die sich am Ende in der Feststellung „I am free“ entlädt und damit dem textlichen Konzept (nachzulesen auf dem LP-großen Einleger) folgt, das einem Tagebuch voller dunkler Geheimnisse ähnlich die Geschichte einer inneren Befreiung von den Zwängen seit der Kindheit erzählt, in welche der Hörer am Anfang des Albums mit den soundtechnisch verfremdeten Zeilen „A reason to immerse / in arms of the universe...“ eintaucht und sich am Ende auf „But Nowhere“ befreit.
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FAZIT: Der weibliche Kopf von ELLEREVE, die deutsche Singer/Songwriterin Elisa Giulia Teschner, die sich auf „Reminiscence“ den dunkleren Klängen zwischen Dark- und Post-Rock sowie Indie-Folk und elektronischen Klangspielereien plus oftmals sehr tiefen Bässen hingibt und sich zudem fast nackt (nur teilweise durch einen Schleier bedeckt) auf dem LP-Cover präsentiert, beschreibt die Wirkung ihrer Texte und Musik, wenn sie im Entstehen sind, sehr eindrucksvoll mit diesen metaphorischen Worten, die bestens auch die Wirkkraft der LP auf den Hörer widerspiegeln: „Es ist, als würde man in ein Meer von Gefühlen eintauchen; hingerissen, nackt und gereinigt von der Brutalität und Härte des Lebens. Es geht darum, Gefühle in Kunst zu verwandeln.“ Absicht verstanden, auch wenn diese nicht immer vollständig verwirklicht wird – ein spannendes Album mit richtig gutem Gesang, das manchmal ein wenig orientierungslos zwischen Dark-Rock und Electro-Folk hin- und hertaumelt, ist es allemal.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.06.2023
Salomon Appiah
Elisa Guilia Teschner
Darwin Ardales, Elisa Guilia Teschner
Patrick Funke
Eisenwald
32:01
07.04.2023