Und wieder schleicht die Geisterfrau vorrangig mit männlicher Musikerhilfe durch die besonders finsteren Gehörgänge ihrer Anhänger. Nachdem sich GHOST WOMAN, hinter denen federführend der kanadische Multiinstrumentalist und Sänger Evan Uschenko steckt, noch vor anderthalb Jahren darauf beschränkten, ihr ebenfalls ziemlich finsteres Indie-Psyche-Album einfach nur <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2022/Ghost-Woman/Ghost-Woman/" target="_blank" rel="nofollow">„Ghost Woman“</a> zu benennen und es mit viel Hall, aber doch dem einen oder anderen druckvollen Moment zu gestalten, wird es auf „Hindsight Is 50/50“ noch finsterer, noch bedrohlicher und noch verhallter, sodass sich die mitunter depressive Psychedelia zur fast psychischen Bedrückung beim Hörer entwickelt, der sich während des Hörens besser nicht auch noch persönlich mit gruseligen Gedanken im Rahmen seiner eigenen Befindlichkeiten herumschlagen sollte. Was am Ende bei so viel Bitternis herauskommen kann, ist vielen ja sicher spätestens seit JOY DIVISION bekannt.
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Genau: JOY DIVISION und THE JESUS AND MARY CHAIN sowie DEPECHE MODE, als die mit ihren Liedern voller Hingabe und Glaube auf „Songs Of Faith And Devotion“ anno 1993 in abgründig schaurige, sich mehr dem NIRVANA-Sound hingebende Welten abtauchten, in denen man besonders nach „I Feel You“ wahrhaft Angst bekommen konnte, sind auch bezüglich des aktuellen Albums von GHOST WOMAN vortreffliche Bezugspunkte.
Eine finstere Aura voller depressiv anmutender Texte, die sich über den gegenwärtigen Zustand dieser Welt auskotzen, breitet sich immer wieder aus, sodass Uschenko aktuell mit seinem eindeutig bedrückendsten und düstersten Album aufwartet, das einen bei solchen Textzeilen wie „If I die then I'll find peace / I'll find the time, I'm sure we'll meet“, in dem die LP-A-Seite abschließenden „Along – Part 2“ durchaus mehr als nachdenklich macht und dabei ein gewisses Kurt-Cobain-Gefühl weckt.
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Hier werden sogar Gothic- wie Psychedelic-Momente nicht etwa ausgespart, sondern vielmehr in unterschiedlicher Intensität ausgelebt. Allerdings bleibt dieses bedrohliche Finstermann- und Finsterfrau-Gefühl unerbittlich über die gesamten gut 41 Minuten erhalten und man sehnt sich nach einer gewissen Zeit dann doch nach dem einen oder anderen lichten Moment. Der bleibt allerdings aus.
Selbst wenn ein seltsam verstörender Song wie „Yoko“ (Na, an wen denkt man da sofort?) sich durch ein paar holprige Boogie-Momente stolpert, bis diese durch schrille Gitarren vertrieben werden oder der Titeltrack ein wenig den (missglückten) Versuch unternimmt, etwas ironischer als die anderen Songs zu klingen, da er sich auf das missglückte Tattoo eines Freundes bezieht, so wird die beklemmende Atmosphäre im Grunde nie wirklich durchbrochen.
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Finsternis und viel Hall und ein stoisches Drumming (besonders in „Highly Unlikely“) samt Fuzz- und Noise-Gitarren-Eskapaden lassen einen in den dunklen Musik-Welten, die GHOST WOMAN auf „Hindsight Is 50/50“ mitunter zu puren Wall Of Sounds anhäufen, immer wieder überrascht aufhorchen, aber eben nur darum, weil man über jeden befreienden Stimmungswechsel erfreut ist. Darum zieht an einem mitunter auch mal ein Blues schleppend vorüber und sogar Americana-Folk-Country-Elemente tauchen wie aus dem Nichts auf, genauso wie weiblicher Gesang. Das sind dann aber auch schon die letzten wirklichen Höhepunkte hinter einem Album gewesen, das sich nach drei GHOST WOMAN-Alben innerhalb von 18 Monaten dann doch als ein verfrühter Schnellschuss beweist, selbst wenn die Band behauptet, dass sie nunmehr genau dort angekommen ist, wo sie auch hinwollte: „Es ist der Sound, der es sein sollte. Es ist die Band als Ganzes.“
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FAZIT: „Hindsight Is 50/50“ von GHOST WOMAN ist definitiv nicht das „Aller-guten-Dinge-sind-drei“-Album, sondern „Mein-bitterböser-dritter-Streich“-Album geworden. Schon dass sich hinter dem Bandnamen in erster Linie der kanadische Multiinstrumentalist und Sänger Evan Uschenko verbirgt, der allerdings mit der finsteren Grundstimmung tatsächlich die Geister heraufzubeschwören scheint, die er ausgiebig besingt, und dabei zweitrangig nur auf die zusätzliche weibliche Unterstützung von Ille van Dessel als Schlagzeugerin, die in viel zu seltenen Momenten auch mal ans Mikro darf, baut, erscheint seltsam. Kein Wunder, dass die beiden dazu selber bemerken: „Wir ziehen es vor, nicht verstanden zu werden!“ Doch nicht nur das. Wenn man auf so viel Hall und so langsam dräuende Klang-Geistereien sowie relativ stoisch daherkommendes Drumming setzt, dann kann natürlich keine großartige, sondern nur eine schwer bedrückende Stimmung dabei herauskommen. Und das ist ganz offensichtlich auch die Absicht hinter „Hindsight Is 50/50“. Nichts für Frohnaturen, dafür aber für nächtliche Schlafwandler, die durch die Abgründe der menschlichen Seele irren und dabei unentdeckt bleiben wollen.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.12.2023
Evan Uschenko
Evan Uschenko, Ille van Dessel
Evan Uschenko
Ille van Dessel
Ille van Dessel, Evan Uschenko (Percussion)
Full Time Hobby
40:10
24.11.2023