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Grateful Cat: Stray With Me

Stil: Indie Folk, Alternative Pop, Singer/Songwriter

Cover: Grateful Cat: Stray With Me

Bei einem dermaßen tierischen Namen, der sofort Parallelen zu einem tödlichen Namen weckt, ist Vorsicht geboten. Oder gibt es da etwa unübersehbare Ähnlichkeiten zwischen GRATEFUL CAT und ihren musikalischen Kollegen, den Todes-Jammern GRATEFUL DEAD?
Nein! Gibt es nicht!
Denn GRATEFUL CAT und ihr herrlicher Indie-Pop mit einem Sixties-, Seventies- und Eighties- bis hin zum Nineties-Flair (Ja, dieses Duo schafft es doch tatsächlich diese vier musikalischen Zeitsprünge problemlos zu meistern!), alles im 2- bis 4-Minuten-Songformat, hat mit der 1965 gegründeten Jam-Kultband um Jerry Garcia nichts gemein, auch wenn die beiden Katzen- und Vögel-Liebhaber Gwendolyn & Franky aus Deutschland ähnlich aus der Zeit gefallen klingen wie bis zum Garcia-Tode auch die kultisch verehrte Jam-Truppe aus San Francisco. Also: Warum Kompromisse eingehen oder die Vorstellungen anderer erfüllen, wenn die eigenen Vorstellungen an Kreativität kaum zu überbieten sind?

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Wahre Welten liegen zwischen dem großartigen Tod und der großartigen Katze. Schließlich wird ja gerade diesen tierischen Einzelgängern nachgesagt, dass sie gleich sieben Leben hätten.
Hoffen wir mal, dass nach diesem gelungenen Debüt „Stray With Me“ auch GRATEFUL CAT ein ähnlich langer Musik-Atem bevorsteht.
Denn den brauchen die beiden, wenn sie nicht nur an sich, sondern auch an die Musik solcher Bands wie die BEATLES oder BYRDS und (um gleich von den Sechzigern in die Neunziger zu hüpfen) die LEMONHEADS oder HOUSEMARTINS und den TEENAGE FANCLUB glauben. Allerdings sind die Hoffnungen auf solche Retro-Welle mehr als berechtigt, denn wer glaubte schließlich vor ein paar Jahren noch daran, dass die LP wieder zurückkehren und der CD den Garaus machen würde?

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„Stray With Me“ ist jedenfalls genau die Musik, die man auf Vinyl pressen sollte, weil sie den Charme der schwarzen Rillen in sich trägt – und zwar nicht nur aus musikalischer, sondern auch klangtechnischer Sicht, als analog noch vor digital kam. Und Stereo mehr war als ein Klangraumfüller, sondern von Effekten, die sich zwischen den beiden Lautsprecherboxen abspielten und eine klare Kanaltrennung erhielten, lebte. Nicht zu vergessen auch die anspruchsvollen englischen Texte, in denen Geschichten erzählt werden, die erzählenswert sind, egal, ob es um die Zeiten der Pandemie („Normal Times“) oder den Mauerfall („Back To West Berlin“) oder missglückte Hundeerziehung („Puppy School Dropout“) oder den leidenschaftlichen Hass auf Vögelgezwitscher („I Love The Birds“) oder den schönsten Ort in der Wohnung („In My Kitchen“) und, und, und geht…

Um all diese textlichen Ideen in Musik umzusetzen, reicht den beiden Gitarre, Bass, Schlagzeug und Percussion sowie ein Aufnahmeverfahren, welches mitunter den charmanten Klang eines Transistorradios (auch auf der Rückseite des Covers und in den Videos von GRATEFUL CAT zu sehen) wiedergibt. Und natürlich ist da noch der Gesang der beiden, der etwas von BEAUTIFUL SOUTH (mit den singenden Paul Heaton und Briana Corrigan) in sich trägt und somit eine regelrechte Charme-Offensive auslöst.

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So treffen Surf-Sounds auf Beat(les) und Folk und natürlich alles voller Harmonien und Pop-Appeal sowie Singer/Songwriter-Lyrics. Musik wie eine Zeitmaschine, die Richtung Vergangenheit saust, weil die digitalen Klangergüsse der Gegenwart, die statt aus dem Transistorradio aus dem Hightech-Radio kommen, einem keinen 'Ohr'gasmus sondern nur noch 'Ohr'krebs bescheren. Also – es klingt auch viel Nostalgie bei GRATEFUL CAT mit. Nur wer nicht begreifen will, dass gerade Nostalgie die schönen Erinnerungen an vergangene (Musik-)Zeiten weckt, statt diesen nur sentimental nachzutrauern, der darf sich gerne weiter mit seinem Nostalgie-Bashing befriedigen und die Hände von „Stray With Me“ lassen. Auch wenn er am Ende des Albums mit „I Wanna Be Back On A Train“ eine Rock'n'Roll-Nummer verpasst, bei der man denkt, dass der gute ELVIS mit auf diesen Zug aufgesprungen sei, während CHUCK BERRY als Schaffner fungiert.

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Und selbst wenn Gwendolin & Franky gleich im Album-Opener „Normal Times“ von angeblich normalen Zeiten singen, so ist bei ihrer Musik das Gegenteil der Fall. Hier ist kaum etwas normal, denn alles folgte dem Ruf des Abnormen einer Pandemie samt kreuzgefährlichem Virus, der die Menschheit sogar in Impfbefürworter und -gegner, angebliche Klar- und Querdenkenker sowie Besserwisser und Verschwörungstheoretiker spaltete. Ja – und irgendwie besann man sich sogar in den Zeiten der erzwungenen Isolation und Ruhe sogar wieder auf die 'guten alten Zeiten', womit wir bei der Musik dieses Albums wären. Denn genau nach diesen Zeiten klingt es, so als würde es uns zurufen wollen: 'Erinnert euch!' Und plötzlich wird uns eigentlich schon nach dem ersten Hördurchgang von „Stray With Me“ bewusst, dass diese Zeiten tatsächlich in der Musik Reize zu bieten hatte, die uns irgendwie immer mehr abhandenkommen zu schienen. In diesem Sinne hatte das Virus auch etwas Gutes – man muss nur einmal richtig hinschauen und hinhören…

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FAZIT: Es ist nicht wirklich ein Katzen-Album geworden – auch weil es darin um Vögel und Hunde (jedoch auch ernsthafte Probleme wie die Pandemie) geht –, aber es streichelt unsere Ohren mir 60er-, 70er- bis hin zu 90er-Jahre-Sounds zwischen Folk, Singer/Songwriter, Pop, Surf-Sounds und ausnahmsweise einmal mit einer gewissen Ironie mit Country-Rhythmen. So wollen auch wir diese GRATEFUL CAT, bzw. das deutsche Musiker-Duo Gwendolin & Franky, streicheln, während „Stray With Me“ uns mit einer klangvollen Nostalgie-Welle umschmeichelt.

<b><i>PS:</b> Bei wem jetzt Interesse und Neugier geweckt worden sein sollte, dem empfehlen wir, doch an unserer aktuellen Verlosung teilzunehmen, bei der es vorerst drei signierte CD's (samt feuriger Überraschung) und etwas später sogar noch drei signierte LP's (ebenfalls mit feuriger Überraschung) zu gewinnen gibt!</i>

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.07.2023

Tracklist

  1. <b>Seite A</b> (20:18):
  2. Normal Times (3:01)
  3. Back To West-Berlin (3:04)
  4. Puppy School Dropout (3:23)
  5. I Love The Birds (3:16)
  6. The Love Frequency (3:54)
  7. I'd Love To Write A Country Song But I'm A City Girl (3:40)
  8. <b>Seite B</b> (17:42):
  9. The Colors Of The Flowers (3:14)
  10. Say Goodbye (3:08)
  11. In My Kitchen (2:47)
  12. Can't Read Your Mind (3:27)
  13. Moonshine (2:30)
  14. I Wanna Be Back On A Train (2:36)

Besetzung

  • Bass

    Gwendolin

  • Gesang

    Franky, Gwendolin

  • Gitarre

    Franky

  • Schlagzeug

    Franky, Gwendolin

Sonstiges

  • Label

    Waterfall Records

  • Spieldauer

    38:00

  • Erscheinungsdatum

    26.05.2023

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