„Disruption“ bedeutet übersetzt „Störung“. Die Band beschreibt ihr Debüt als introspektiven Blick auf die menschliche Evolution und ihre Reise hin zu einer ungewissen Zukunft. Immerhin ist das mal kein von Grund auf dystopischer Stoff. Das und die Tatsache, dass GRAVITY FIELDS rein instrumental unterwegs sind, schafft allerlei Potenzial für (mal mehr, mal weniger) ausgeflipptes Kopfkino.
Dabei erschaffen die Musiker mithilfe von elektronischen Einflüssen und Kompositionen zwischen Technik und Gefühl sowas wie eine Vertonung der Frage nach dem Sinn des Lebens und der Frage, inwieweit technische Entwicklungen einem gesunden Lebensweg förderlich sind.
Diese philosophischen Fragen werden mitunter in lockeren Prog-Nummern wie „Coyote“ aufbereitet, drehen und wenden sich in jedem einzelnen Stück aber in mehrere Richtungen. Da weckt „Saturno Park“ in seiner Ausgeflipptheit die eine oder andere Assoziation zu einem Rummelplatz, während „Gliders“ mit ruhigeren Klängen und fast entspannter Atmosphäre die Gedanken auf eine Reise durch die Lüfte führt. Der Song wirkt regelrecht aufbauend und bringt eine gehörige Portion Zuversicht in den Sound ein, die sehr gut gefällt.
Daraus erwächst der nächste Schritt in „Detuned Love“, das regelrecht hibbelig klingt. Von emotionaler Verstimmung ist erstmal wenig zu spüren, wohl aber von dem kribbelnden Gefühl einer jungen und frischen Liebe, die das Leben rosig und federleicht erscheinen lässt.
„Ingravity“ erdet danach wieder etwas mehr, aber der lebenslustige Touch findet sich auch hier. Egal, ob es die schicken Bassläufe sind, oder die elektronischen Spielereien, die an asiatische Glockenspiele erinnern: Die Musik strahlt eine grundlegende Positivität aus, die sich in „Prime Time“ zu fast tanzbarer Form entwickelt. U.a. kommt eine Querflöte hinzu, was dem Stück einen irgendwie ironischen Touch verleiht. Denn lässt man sich die Assoziation des Titels mit dem Konsum von Massenmedien und deren Verblödungsmaschen auf der Zunge zergehen, bekommt die Musik einen interessanten und sehr düsteren Twist.
„Transition“ könnte danach eine Art Ankunft darstellen.
Die Musik wirkt weniger ausgeflippt, strahlt gegenteilig sogar Zuversicht aus und verbindet fiepsige Synthesizer mit lockerem Groove und einer mechanischen Stimme, die am Ende einen krassen Kontrast zur Musik darstellt. Denn sie berichtet von der Abkopplung aller Fähigkeit zu emotionalem Handeln und Empfinden, also der Auslöschung fundamentaler Charakteristika, die den Menschen von anderen Lebewesen unterscheiden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was die finale Ankunft bereithält und wo das Leben ankommen wird. Damit offenbart „Disruption“ am Ende eine markante philosophische Ader, über die es sich zu diskutieren lohnt. Solche Diskussion würde aber den Rahmen dieses Reviews sprengen, daher lautet das vorläufige…
<center><iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/vNldQCdOT7w" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" allowfullscreen></iframe></center>
FAZIT: …GRAVITY FIELDS klingen durchaus kopflastig, sind aber beileibe nicht nur für Notenzähler interessant. Gerade im Verbund mit dem sehr schön gestalteten Artwork schafft es „Disruption“ einige eindrückliche Bilder im Kopf des Hörers zu erzeugen, die sich nach und nach zu einer etwas schrägen Geschichte ohne gewissen Ausgang zusammensetzen. Nicht nur damit empfehlen sich mehrere Hördurchläufe dieses Albums.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.05.2023
Toni Munné
Jordi Prats
Jodi Amela
Alex Ojea
Pep Espasa (Flöte, Saxofon)
Redphone Records
53:37
21.04.2023