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Helge Schneider: Mega – Live in Graz

Stil: Jazz, Pop, Comedy

Cover: Helge Schneider: Mega – Live in Graz

Die singende Herrentorte und der Meister der versammelten Pointen mit stuhlgängigem, extrem erfolgreichem Hang zu Katzenklos, die oftmals gerade live eigentlich lustig sein soll und will, aber auch mal durchaus angekackt und fies sein kann, wenn ihr <a href="http://www.musikreviews.de/news/HELGE-SCHNEIDER--Der-Griff-ins-Katzeklo/4839/" target="_blank" rel="nofollow">bei einem Auftritt das Verhalten des Publikums sowie gastronomische Spitzfindigkeiten rund um die damaligen Strandkorb-Konzerte während der Corona-Zeit nicht schmecken</a>, und dann überraschend einfach das Konzert abbricht, während das Publikum tatsächlich noch glaubt, das wäre ein Spaß (Ist es aber nicht, denn plötzlich war die singende Herrentorte wohl zur schmollenden Sahneschnitte geworden!), ist mit „Mega – Live in Graz“ wieder mal auf Tonträger zurück – und beweist, dass es nur ansatzweise großen Sinn macht, sich ausschließlich auf LP oder CD zu präsentieren, denn diese singende Witzkanone muss man live auf der Bühne erleben. Und nicht nur beim „Katzeklo“, das natürlich als Kult(ivierter)-Song auch in Graz zur Aufführung kommt und dabei so viele auch optische Lachmomente enthält, die auf der reinen Audio-Version – gerade bei dem Solo auf der goldenen Geige – leider nicht nachvollziehbar sind.

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Helge, der männertort(urend)e(n) Stimmungsgranate hierbei bloß zuzuhören wie auf „Mega – Live in Graz“ macht in solchen Momenten eben nur den halben Spaß und Musikgenuss aus, weil all die Lacher des Publikums während der mitunter extrem schrägen Klänge (wie der besagten goldenen Geige zum Beispiel) und textlichen Humordichte leider ohne Bild kaum nachzuvollziehen sind.
Dafür aber bleiben die breit angelegten instrumentalen Jazz-Ausflüge ein echter Genuss, der auch voll und ganz ausschließlich auf den zwei schwarzen Rillen funktioniert. HELGE AND HIS TRAVELLING STARS sind eben absolute Spitzenkönner an ihren Instrumenten und beherrschen natürlich perfekt jegliche jazz- wie blueserprobte Improvisationskunst von der Pike auf.

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Der Konzertbeginn wird mit „Gartenzaun“ und den Worten: „Das war's schon!“ eröffnet, und schiebt dann sofort hinterher, dass das nur 'Quatsch' war, was ironisch und etwas beschämend sogar an besagten Konzertabbruch der Strandkorb-Konzerte erinnert. Ein Gag, der sich etwas überholt hat – aber trotzdem noch wirkungsvoll ist, genauso wie der schräg-abgefahrene Helge-Humor, der nicht nur hinterm „Gartenzaun“ auf einen wartet, sondern einem immer wieder auch bei textlich besonders provokanten Songs wie „L.O.T.C.“ oder „American Bypass“ begegnet, wenn einem da von der Bühne solche Text-Zeilen entgegenschallen, wie: „Es ist gemütlich kuschelig warm unter der Decke […] Zwei Zimmer weiter Ficken ohne Frau, Liegestütze schön anzusehen. Unter der Decke riecht es schön nach Würstchen, das war ich.“

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Beim belustigten Zuhören wird man allerdings zugleich etwas traurig, weil man die Bühnen-Performance nicht optisch mitverfolgen kann, denn die vielen Lacher des Publikums verweisen natürlich besonders auf den Slapstick-Humor, welchen man sich vor seinem Plattenspieler höchstens zusammenreimen kann.

Dafür gibt es über fast eine LP-Seite lang die deutlich dem Blues und Jazz huldigenden Stücke <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2023/Helge-Schneider/Torero/" target="_blank" rel="nofollow">des letzten Schneider-Albums „Torero“</a> zu genießen, wobei gerade das längste Stück „L.O.T.C.“ durch herrliche Jazz-Improvisationen besticht. Wer sich fragt, was wohl „L.O.T.C.“ heißt, der wird am Ende des Songs fündig: 'Love On The Couch'. Eben typisch Schneider, der gerade bei diesem längeren Stück neben seiner Jazz-Begabung zusätzlich die totale textliche Clownerie ausspielt.
Mit „My Baby leftme“ wird’s danach rein instrumental jazzig, wobei Reinhard Glöder sogar zur Melodika greift und bewusst ein paar schräge Töne mit einfließen lässt. Das klingt nicht nur lustig, sondern gleichfalls in dieser Art perfekt, wie später dann auch die „Night in Tunisia“, die das ganze Können von Helge dem Vollblut-Musiker samt seinen Vollblut-Begleitern HIS TRAVELLING STARS zeigt.

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Genauso wie das „Torero“-Album endete, endet mit „She's Gone“ nun auch „Mega – Live in Graz“ mit einem makabren Abschiedssong, bei dem man während des Gesangs glaubt, hier besingt jemand den Verlust von einer Ehefrau oder Geliebten (die bis dahin vom Wäschewaschen bis zum Kochen und Einkaufen alles im Alleingang erledigte), bis dann das letzte Wort Aufklärung gibt. Es geht nicht um eine Geliebte oder Ehefrau, sondern um 'Mutter'. Danach bedankt sich HELGE SCHNEIDER noch bei seinem Publikum und schiebt ein paar schräge Piano-Takte hinterher und das war's schon.

Zurück bleibt man mit der Erkenntnis, dass bei HELGE AND HIS TRAVELLING STARS wie so oft Genie und Wahnsinn, Frechheit und Anspruch, Blödelei und Perfektion sowie singende Herrentorte und klingende Sahneschnitte Hand in Hand gehen – ohne sich dabei zu verlieren. Der Hörer wird so rundum unterhalten. Mögen sich anders ausgerichtete Geister und Kritiker darüber streiten, ob das nun fantastisch oder beknackt ist. Beide Seiten haben dabei – jede auf ihre Art – wahrscheinlich Recht wie Unrecht…
Am Ende kennt die Antwort wohl doch nur der Wind und der letzte Torero.

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FAZIT: Eigentlich braucht man nicht lange zu suchen, wenn man überlegt, zu welchem Album man am Tag der besoffenen Knall(er)köppe – andere nennen diesen auch Silvester – eine Review schreibt. Na klar doch, da eignet sich allerbestens die singende Herrentorte HELGE SCHNEIDER, die auf „Mega – Live in Graz“ mit HELGE AND HIS TRAVELLING STARS ein weiteres Live-Album raushaut, das eben typisch Helge ist und sich zwischen abgefahrenem Humor und musikalischen (Jazz-)Meisterleistungen sowie (leider nicht auf Tonträger nachvollziehbaren) Bühnen-Slapstick-Einlagen bewegt. Natürlich darf hierbei das „Katzeklo“ genauso wenig fehlen wie der „Gartenzaun“ und der „Telefonmann“. Zudem gibt’s aber auch viel Neues vom letzten Album „Torero“ („L.O.T.C.“, „Horses“, „American Bypass“ und „She's Gone“) zu hören, das sich durch besondere Jazz- und Blues-Improvisationen und schräge Klangeinsprengsel auszeichnet. Macht Spaß und hat Anspruch – Was will man mehr?! Mit Humor ins Jahr 2024 – selbst wenn er unter politischem Aspekt mitunter derzeit zum Galgenhumor verkommt – halten wir es doch besser mit dem tapferen Schneider(lein): „Ich steh' den ganzen Tag am Gartenzaun, wackel lustig mit den Augenbrauen – dabei tu' ich so, als würde ich Erdbeeren pflücken, doch ich guck' heimlich Frau'n.“

Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.12.2023

Tracklist

  1. <b>Seite A</b> (22:00):
  2. Gartenzaun (2:15)
  3. Texas (2:34)
  4. L.O.T.C. (7:27)
  5. My Baby leftme (4:28)
  6. Telefonmann (5:16)
  7. <b>Seite B</b> (24:47):
  8. Katzeklo (4:16)
  9. Horses (5:12)
  10. American Bypass (6:32)
  11. Night in Tunisia (3:45)
  12. She's Gone (5:02)

Besetzung

  • Bass

    Reinhard Glöder

  • Gesang

    Helge Schneider

  • Gitarre

    Sandro Giampietro, Helge Schneider

  • Keys

    Helge Schneider

  • Schlagzeug

    Willi Ketzer, Helge Schneider

  • Sonstiges

    Helge Schneider (Blasinstrumente, Gitarre), Reinhard Glöder (Melodika), Sergej Gleitman (Geige)

Sonstiges

  • Label

    Railroad Tracks

  • Spieldauer

    46:47

  • Erscheinungsdatum

    08.12.2023

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