Natürlich konnte es dem schottischen Songschmied JAMES YORKSTON nicht genügen, einfach wieder genau das Gleiche zu machen, wie auf seinem letzten Album mit dem SECOND HAND ORCHESTRA – aber der Gedanke, erneut mit einer Gruppe versierter Musiker an Stücken zu arbeiten, deren Arrangements erst spontan im gemeinsamen, improvisatorischen Moment entstehen (wie auf dem Vorgängeralbum „The Wide Wide River“) ließ ihn dann doch nicht los.
Also überlegten er und sein Partner in Crime, der schwedische Produzent KARL JONAS WINQVIST – der die erwähnten versierten Musiker für das SECOND HAND ORCHESTRA zusammenstellte – was man denn dieses Mal wohl anders machen könnte.
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Dabei kamen sie auf zwei Ideen: YORKSTON komponierte die Songs nicht wie gewohnt auf der Gitarre, sondern auf dem Klavier und als zusätzliches Element konnte die legendäre CARDIGANS- und A CAMP-Frontfrau NINA PERSSON als Gastsängerin und Duett-Partnerin für Yorkston gewonnen werden. Das lag sicher nicht auf der Hand – ist aber aufgrund der unglaublichen Historie von Kollaborationen, an denen Yorkston beteiligt war (u.a. mit KT TUNSTALL, SIMON RAYMONDE oder RUSTIN MAN) auch nicht wirklich verwunderlich.
Die neuen Tracks entfalten sich, wie auch schon auf dem „Wide Wide River“-Album, mit majestätischer Transparenz im Zeitlupentempo und auf atmosphärischer Basis (wobei aus naheliegenden Gründen elaborierte Streicher-Arrangements außen vor bleiben mussten) und wie gehabt bekamen auch die beteiligten Orchestermusiker das Material vor den Aufnahme-Session im Studio nicht zu Gehör.
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Das Ganze erinnert dann mit seiner spirituellen Note an die Arbeiten eines VAN MORRISON in seiner lautmalerischen Phase – entwickelt aber aufgrund der geänderten Vorzeichen eine gänzlich andere Dynamik, als jene des Vorgängerwerkes.
Eine interessante Randnote gibt es noch zu vermelden: Obwohl das Album vor allen Dingen durch eine leichtfüßige, teilweise selbstironische Note zu überzeugen weiß, gibt es auch eine nachdenkliche Seite. Nachdem nämlich zuletzt bereits Yorkstons kanadischer Kollege DAN MANGAN mit seinem Song „In Your Corner“ eine musikalische Hommage an den 2018 durch Selbstmord aus dem Leben geschiedenen schottischen Songwriter-Kollegen SCOTT HUTCHISON schrieb, legt JAMES YORKSTON nun mit der einfühlsamen Hommage „The Sweetness In You“ nach.
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FAZIT: Es ist ja stets ein gutes Zeichen, wenn sich Songwriter wie JAMES YORKSTON nicht in einem bestimmten Setting und einem bestimmten Genre festkrallen, sondern stets nach neuen Wegen suchen, sich musikalisch auszudrücken. Die Idee, sich mit KARL JONAS WINQVIST und seinem SECOND HAND ORCHESTRA (zu dem etwa PETER MORÉN von PETER, BJORN & JOHN oder zuletzt PHIL SELWAY von RADIOHEAD gehör[t]en), hat YORKSTON tatsächlich einen großen Schritt weitergebracht. Nachdem er die Songs den SHO-Musikern einmal vorgespielt hatte, entwickelte sich im Folgenden ein musikalischer Dialog, bei dem er den Musikern alle Freiheiten ließ, ihre Ideen einzubringen. Und genau diese Freiheiten hört man dann auch diesem zweiten gemeinsamen Album „The Great White Sea Eagle“ deutlich an.
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.01.2023
Daniel Bengston
James Yorkston, Nina Persson
James Yorkston, Peter Morén
James Yorkston, Emma Nordenstam
Phil Selway
Domino
43:59
13.01.2023