JANDA ist nicht nur eine richtig gute Sängerin – sondern auch eine leidenschaftliche Freitaucherin. Was liegt da nicht näher, als die eine heiß geliebte Leidenschaft (der mit bürgerlichem Namen Jessica Struch heißenden) mit der anderen ebenso euphorisch betriebenen Leidenschaft zu vereinen?
„Apnoe“ lautet darum der Titel des aktuellen JANDA-Albums, das sich nach dem Apnoe-Tauchstil benennt, also dem Abtauchen ohne jegliche Geräte, bei dem nur ein tiefer Atemzug dafür sorgt, so lange wie nur möglich unter Wasser zu bleiben. Oft verwendet man dabei eine Monoflosse und sieht unter Wasser einer Seenixe (Muss ja nicht gleich die Meerjungfrau sein!) ähnlich. Und vielleicht klingt man ja mit viel Begabung und den Eindrücken solcher Tauchgänge dann wirklich so wie JANDA auf „Apnoe“, worunter man genau den Zeitpunkt des langen Luftanhaltens versteht, um sofort nach dem Wiederauftauchen den nächsten tiefen Atemzug zu nehmen, der ein ganz anderer als der vor dem Abtauchen sein wird.
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Hört man sich allerdings „Apnoe“ von JANDA an, sollte man auf keinen Fall dabei die Luft anhalten, außer aus Verwunderung, wie stark dieses sehr persönliche Album ausgefallen ist – und über welch unglaublich beeindruckende Stimme die leidenschaftliche Freitaucherin aus Leipzig verfügt. Darum beginnt „Apnoe“ auch mit einem tiefen Atemzug der Musikerin, sodass wir gemeinsam mit ihr in die atmosphärisch tiefe, entspannte und ruhige Musik abtauchen können.
Wer – so wie der Kritiker – schon oft (allerdings mit kompletter Taucherausrüstung) getaucht ist, der weiß, dass sich unter Wasser das Leben völlig anders, viel befreiter, friedlicher und beruhigender abspielt. Man taucht nicht nur tief unter Wasser, sondern in eine andere, friedliebende, angenehm geheimnisvolle Welt ein und lässt die Hektik des Alltags über Wasser hinter sich. Nähme man diese mit unter Wasser, würde man in dem neuen Element unweigerlichen Gefahren für sich und seine Mittaucher heraufbeschwören. Es ist die innere Entspannung und die natürliche Aufmerksamkeit, die zählt und einen unter Wasser am Leben hält.
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Genau diese Stimmung entfaltet auch „Apnoe“ von JANDA, bei der natürlich als erstes die warme, tiefe Stimme von JANDA gefangennimmt. Atmosphärisch hat das eine ganze Menge von TORI AMOS, selbst wenn beide Stimmen doch jede für sich ihre Eigenarten haben und JANDAs Gesang manchmal viel eher an ALIN COEN und manchmal auch SUZANNE VEGA oder PJ HARVEY erinnert. Dafür verwöhnen einen während der Songs elektronische Verspieltheit genauso wie akustische Zerbrechlichkeit, die immer von JANDAs Gesang zusammengehalten werden. Streicher wie Bläser entfalten mitunter ebenfalls ihre Klangräume und bewegen sich in Richtung vorsichtig bar-angejazzter, kammerartiger Sounds.
Schon der Titeltrack verfolgt laut JANDA die Absicht, einen wahren Erfahrungsbericht eines Tauchgangs musikalisch widerzuspiegeln, der sich zwischen der Luftfülle zweier Atemzüge bewegt. Hierbei kommen speziell verspielte Electronics, die ein wenig an RADIOHOEADs „Amnesiac“ erinnern, zur Anwendung.
Doch es geht natürlich nicht nur ums Tauchen, sondern auch um jede Menge Zwischenmenschliches – so wie es sich zum Beispiel anfühlt, wenn jemand ohne Vorwarnung jeglichen Kontakt abbricht („Run You Down“) oder die Vertonung von Gedichtauszüge (von Matthew Arnold) in „To Marguerite“ oder einen langen Abschied („Leave A Light On“).
Und dann gibt’s da noch den tief bewegenden Song „Bettina“, der die LP-B-Seite mit akustischer Gitarre sowie Piano und jazzigen Drums sowie elektronischen Sound-Spielereien eröffnet und in dem es um den Inhalt eines Zeitungsartikels geht, dem JANDA ihren Song zugrunde legt.
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Hierbei dreht es sich um einen Mann, der von seiner Partnerin verlassen wurde, aber jahrzehntelang auf deren Rückkehr hofft und deshalb alles in seinem Haus, was ihn an sie erinnert, unverändert lässt und so fast in einer Art Mausoleum lebt. Der traurige Song bringt daher tatsächlich die Bewunderung zum Ausdruck, dass man in dieser alles der Optimierung unterworfenen Zeit so lange an etwas, woran man glaubt, dauerhaft festhalten kann.
Mit „Ama“ und „Narcosis“ werden von JANDA erneut die Tauch-Themen aufgegriffen, welche sich wie ein roter Faden durch das gesamte Album ziehen. Einerseits dreht es sich um die Freitaucherinnen speziell (Ama = Japanisch für 'Meermensch' bzw. 'Meerfrau') und andererseits um den sogenannten Tiefenrausch, der beim Taucher ab einer gewissen Tauchtiefe ausgelöst wird und in ihm Visionen entstehen lässt, die nicht real, aber in der Tiefe absolut lebensbedrohlich sind.
Mit der zweiten Vertonung eines Gedichtes von Matthew Arnold geht das Album dann zu Ende und taucht bis tief in die Abgründe des eigenen Seins ab – und bringt das zutage, was man vielleicht nur zu gerne weiterhin in sich begraben wüsste oder andererseits wie die Perle in einer Muschel überraschend entdeckt wird…
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FAZIT: In der Ruhe und der Tiefe der Musik liegt die Kraft von „Apnoe“, ein Album, das nach dem ersten tiefen Atemzug vorm Abtauchen in die Tiefen des Meeres benannt wurde. Die Leipziger Freitaucherin und Liedermacherin JANDA beweist sich hier zugleich als eine beeindruckende Musikerin, welche genau diese Atmosphäre mit akustischen und elektronischen Klang(unterwasser)landschaften auf ihr Album zu übertragen weiß und noch dazu mit ihrer wunderschön warmen, voluminösen und trotzdem zarten Stimme diesen Eindruck verstärkt. „Apnoe“ greift thematisch den Stillstand von Raum und Zeit auf, das, was zwischen zwei tiefen Atemzügen geschieht und dabei in einem vorgeht. So erklingt auf ihrem Album der innere Friede genauso wie die Angst davor, dass einem zu früh die Luft ausgehen könnte.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.11.2023
Philipp Martin
Jessica Struch
Matthias Kurth, Jessica Struch
Christian Keymer
Steffen Roth, Jan Roth
Matthias Kurth, Steffen Roth (Sounds), Christian Keymer (Bassklarinette, Sounds), Volker Heuken (Vibraphon), Antonia Hausmann (Posaune), Robert Lucaciu (Cello), Damian Dalla Torre (Bassklarinette)
Waterfall Records
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17.11.2023