Das ist doch auch mal eine richtig gute Idee: Wundervolle, mitunter weltberühmte Pop-Balladen von SCOTT WALKER über BARRY WHITE oder ST. VINCENT bis hin zu den den geheimnisvollen, das Album eröffnenden Traum-Hymnen eines ROBERT WYATT mit „Shipbuilding“ und am Ende sogar ein Plattenabschied mit ALICIA KEYS' „If I Ain't Got You“ in ähnlich verträumte, ebenso geheimnisvolle Jazz-Balladen zu verwandeln, in denen Klarinette, Saxophon oder Flöte den 'Gesang' ersetzen bzw. übernehmen.
Oh, das geht tief – nur so viel Schönklang und Harmonie sind in Zeiten wie diesen fast zu schön, um wahr zu sein. Darum kann man sich mit „Since You've Asked“ (benannt nach einem Song von JUDY COLLINS) regelrecht aus all der Kälte, dem Hass, der irren Kriegstreiberei und jeglicher politischer Idiotie, die selbst für den Bruch von Gesetzen, welche angeblich für uns verantwortliche (und heute wohl von dementen Erinnerungslücken geplagte) Politiker rechtsstaatlich selbst einstmals verabschiedet haben, die idiotischsten Ausreden zur Volksverdummung findet, hinwegträumen.
Genau hier scheint die Absicht hinter „Since You've Asked“ von KANOE, einem deutschen Jazz-Quartett, zu sein, die mit diesem Album die Romantik des Bar-Jazz mit dem Hymnus von Pop-Balladen in eine Form von lyrisch anmutendem Jazz und eine entsprechende Kontemplation überführen, die auch ohne Texte, schon allein der ausgewählten Balladen wegen, klar Stellung beziehen. Hierzu haben die vier Musiker eine klare Meinung, weswegen sie als Album-Opener ROBERT WYATTs „Shipbuilding“ wählen – und dazu unter ihrer Homepage bemerken: „Leider sind Lieder über die Beziehung zwischen Krieg und Wohlstand heute genauso aktuell wie zu Zeiten des Falklandkrieges.“
So werden die mitunter breit angelegten und oft auf gängige Rhythmen setzenden Pop-Stücke auf ihren Ursprung hin entkernt und mit dem aus Blasinstrumenten, Piano, Bass und Schlagzeug vorhandenen Jazz-Instrumentarium ganz neu zum Klingen gebracht. Gesungen wird – wie gesagt – nicht. Das wird Klarinette, Saxophon und Flöte überlassen.
Ruhe und die Harmonie bleiben rundum erhalten, der Klang aber ist ein völlig neuer, mitunter andersartiger. Ein interessanter, aber eben nur für den Freund harmonischer Jazz-Musik zu erschließen. Wer auf die Vorbilder, nach denen diese sieben Balladen entstanden, steht und nur (s)einen pop-affinen Hörsinn besitzt, dem wird sich diese Bar-Jazz-Romantik, die so ideal für Kerzenschein und eine liebevolle Begegnung geschaffen ist, wohl nicht erschließen. Alle anderen aber, die solcher Musik gegenüber aufgeschlossen sind und fest daran glauben, dass sich Jazz, Romantik, Balladen und Pop voller Herzlichkeit vereinen und nicht gegeneinander ausspielen müssen, die werden mit „Since You've Asked“ einen Hochgenuss gefunden und ihre Herzallerliebste bzw. ihren Herzallerliebsten mit KANOE unwiderstehlich erobern können. Denn immer hört man eben neben dem filigranen Jazz auch ein wenig die Pop-Melodien heraus, die sich hinter jedem einzelnen Jazz-Stück, das vormals eine erhabene Pop-Ballade war, verstecken, ohne sich ganz dem Blick bzw. offenen Ohren des Hörers zu entziehen.
FAZIT: Eine Jazz-Balladen-Platte, die anspruchsvolle, wunderschöne und oft weniger bekannte Pop-Balladen zum Vorbild hat… Gibt's das? Aber klar doch: „Since You've Asked“ des deutschen Jazz-Quartetts KANOE ist eine gelungenes Beispiel für die liebevoll-romantische Vereinigung von Jazz, Pop, Harmonie und balladesker Schönheit, die eine himmlische Bar-Atmosphäre verbreitet, in der man sich mit einem geliebten Menschen, der eben nicht nur radiotauglicher Pop-Musik zugewandt ist, bestens einrichten und genießen kann. Traumhaft schön – zumindest für all diejenigen, die gerne auch mal ein offenes Ohr für feine Jazz-Harmonien mit Balladen-Pop-Appeal haben – und fest daran glauben, dass auch diese Welt allein durch Musik ein bisschen besser werden kann.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.12.2023
Florian Dohrmann
Uwe Schenk
Michael Kersting
Jochen Feucht (Klarinette, Saxophon, Flöte)
Eigenvertrieb
38:35
24.11.2023