Die Zweideutigkeit des bayrischen Dialekts hat in vielerlei Hinsicht etwas interessant Süffisantes. Im Fall von KARIN RABHANSLs „Rodeo“ verdeutlicht aber nicht nur der sprachliche Ritt das Selbstbewusstsein und das künstlerische Selbstverständnis der Musikerin.
Ohne Zwänge geht der Titeltrack gleich in die Vollen. Das klangliche Pferd ist voller Adrenalin, bevor die „Gute Zeit“ das Leben feiert, den Moment zelebriert und musikalisch ordentlich Schmackes hat. „Amor“ und „Anett“ drehen sich um den unerbittlichen Verlauf der Liebe, aber auch darum wo die Grenzen der Körperlichkeit anfangen.
Hier und da geht’s auch etwas morbider, aber auch witziger zu. „Schaufema“ bietet dunklen Blues, zu dem es sich hervorragend über den nächtlichen Asphalt tanzen lässt. Stets auf der Flucht vor dem Mann mit der Schaufel, der aber auch dazu motiviert die Nacht ohne zu viel Ärger zu überstehen. Denn eine Schaufel im Genick ist wohl kaum eine Geste der Zuneigung.
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Eine grundlegende Erkenntnis von „Rodeo“ ist, dass das Leben kein Zuckerschlecken ist. „Baby, lauf“ macht das anhand von toxischen Beziehungen fest und das tieftraurige „12 Joa“ erzählt, untermauert von der Intimität einer einsamen Akustikgitarre, von einem folgenschweren Unfall. Diese Geschichte wirkt durchaus autobiografisch, inwieweit das zutrifft, wird zwar nicht erklärt, aber anhand der Emotionen, die unter die Haut gehen, liegt es nahe.
Getragen von einem dunklen Bass vertont „Er oder I“ den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse. Textlich unterhält sich KARIN RABHANSL sowohl mit dem Teufel als auch mit Gott und breitet damit auch einen gewissen inneren Konflikt aus, den wohl jeder Mensch in sich trägt. Der Song baut sich immer weiter auf und wird u.a. von einer Orgel dramaturgisch untermauert, ehe „Misty“ als Stoner-Rock in federleichter Hippie-Couleur daher kommt. Hier geht es einerseits um den Ausbruch aus dem Bekannten, andererseits auch darum, dass blindes Vertrauen in andere nicht ohne Risiko ist.
Ein weiteres Highlight ist die intime Psychosen-Vertonung „Real“. Die Intensität der ruhigen Töne zeichnet das Bild einer angeknacksten Seele, die doch trotzdem nur auf der Suche nach innerem Frieden ist. Wieder wirkt der Song sehr nahbar und intim, ehe „Gold‘ne Stund“ den Druck rausnimmt und durch eine entspannte Stimmung besticht, in der es sich hervorragend fallen lässt. Und doch ist da auch Schwermut, oder wenigstens Wehmut, die davon zeugt, dass wir immer an der Gegenwart festhalten wollen, denn die Zukunft birgt die Angst vor dem Unbekannten.
Der „Vampyr“ kommt als textliche Horrorgeschichte daher, schreitet langsamen Schrittes voran, könnte aber auch von Energieräubern im realen Lebensalltag handeln. Schließlich gibt es immer wieder Menschen, die versuchen, einen mit hinabzuziehen in ihren Strudel aus persönlichen Negativität. Eben darum sollte man auf solche Menschen nicht reinfallen. Die Instrumentierung klingt dementsprechend schwermütig und im Finale gefällt KARIN RABHANSL mit kratzigem Timbre.
Auch der „Berg“ schlägt nachdenkliche Töne an und handelt u.a. von Einsamkeit. Allerdings ist da auch ein Hoffnungsschimmer. Denn selbst wenn sie von der Kälte und Einsamkeit des Gipfels singt, klingt die Musik von KARIN RABHANSL doch um einiges wärmer und aufbauender als es zunächst scheint.
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FAZIT: KARIN RABHANSLs „Rodeo“ wird seinem Titel gerecht und klingt temporeich und emotionsgeladen. Der Grundtenor der Musik ist trotzdem positiv, oder sucht wenigstens nach positiven Lösungen. Denn am Ende geht es immer ums Durchhalten, darum wieder aufzustehen, selbst wenn das Leben schwer, mitunter erdrückend und seltsam ist. Man hat nur dieses eine Leben. Diese Erkenntnis ist so universell wie wertvoll. Und mindestens ersteres trifft auch auf die Musik von KARIN RABHANSL zu.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.03.2023
Joschi Joachimsthaler, Karin Rabhansl
Karin Rabhansl, Joshi Joachimsthaler, Simon Weber, Julia Fischer
Karin Rabhansl, Joschi Joachimsthaler
Julia Fischer
Simon Weber
Simon Weber (Percussion), Stefan Schlanda (Trompete), Ilya Khenkin (Posaune)
Donnerwetter MusiK/Cargo Records
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24.02.2023