Gerade erst präsentierte sich KATIE MELUA auf dem Cover <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2023/Katie-Melua/Love--Money/" target="_blank" rel="nofollow">ihres aktuellen Albums „Love & Money“</a> als schwangere, optimistisch in die Welt blickende, angehende Mutter, die sich auf familiäre Freuden (und ihren zukünftigen Sohn) vorbereitet, schon ist es für einen weiten Blick zurück in die Vergangenheit Zeit. 20 Jahre ist es bereits her, dass Melua – als 19-Jährige ohne auch nur einen Gedanken ans Muttersein zu verschwenden – ihr erstes Album „Call Off The Search“ mit namhafter Unterstützung veröffentlichte und damit gehörig Aufmerksamkeit auf sich lenkte, weil grade diese leicht Jazz-affine und eine Bar-, Blues- sowie Soul-Atmosphäre ausstrahlende Musik von verträumt anmutenden Sängerinnen gerade besonders angesagt war, wofür die 2002 extrem erfolgreiche und mit Grammys überhäufte NORAH JONES das beste Beispiel war.
Genau in diese Lücke marschierte selbstbewusst und mit großem Können auch KATIE MELUA, die georgisch-britische Musikerin, mit ihrem Debüt-Album, das nun zum 20. Geburtstag fein aufgepeppt und umfangreich erweitert als „Call Off The Search – 20th Anniversary 2LP Reissue“ veröffentlicht wird.
Allerdings beteuerte die junge Musikerin damals schon, dass sie weit vor dem Jones-Erfolg von „Come Away With Me“ intensiv an ihrem Album arbeitete und dieses gänzlich fertiggestellt war.
Auch scheint es zur MELUAschen Tradition zu gehören, alte wie neue Alben immer kurz vor Weihnachten zu veröffentlichen. Denn – in diesem Falle brauchen wir uns gar nichts vorzumachen – ihre Songs, die oft ruhig und besinnlich sind, passen ideal in die Weihnachtszeit, während der man sich ein wenig oder schon verzweifelt nach innerem Frieden und familiärem Aufgehobensein sehnt. Irgendwie eben All-Time-Klassiker, denen viel Faszination und Beruhigendes gleichermaßen innewohnt.
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Womit wir auch schon bei den 'großen Namen', die maßgeblich für den Erfolg des Melua-Debüts mitverantwortlich waren, wären: Produziert wurde „Call Off The Search“ von Produzenten- und Musiker-Legende („Lady Of The Dawn“, „The Wind Of Changes“) MIKE BATT (Welcher offiziell auch als der 'Melua-Entdecker' gilt), der noch dazu bei diesem Album an Piano und Orgel sitzt – das sollte schon was heißen und entsprach natürlich zugleich einer Melua-Debüt-Adelung. Noch dazu begleitetet sie das Saiten-Genie CHRIS SPEDDING an der Gitarre. Außerdem wurde noch ein Film-Orchester hinzugezogen und die Melua-Texte quollen vor lauter Gefühl(sduselei) nur so über, aber es gab auch das Eingeständnis „Learnin' The Blues“ zu vernehmen, natürlich mit dem wirklich banal und pubertär anmutenden Schluss: „When you feel your heart break / You're learnin' the blues“. Das hätte sie mal solchen Blues-Urgesteinen wie einem JOHN LEE HOOKER oder B.B. KING weismachen sollen...
Besonders Bar-Jazz-Liebhaber werden viel Freude beim Hören der insgesamt 25 Songs des Doppel-Vinyls empfinden. Denn mal mit Bläsern aufgehübscht oder mit Besen gespieltes Schlagzeug und viele akustische Instrumente, welche der beeindruckenden Stimme der Sängerin viel Raum und Vordergründigkeit bereitstellen, verbreiten tatsächlich eine Bar-Atmosphäre voller Soul und Romantik. Selbst die bereits erwähnten Texte, die allesamt auf einer der beiden bedruckten LP-Innenhüllen zu finden sind (Auf der zweiten Hülle befindet sich eine umfangreiche Geschichte über die Entstehung dieses Albums), tragen ideal zu diesem Late-Night-Gefühl bei, egal ob sich Melua dabei an ihre Kindheit („Crawling Up A Hill“) oder große Liebe („My Aphrodisiac Is You“) und natürlich wieder und wieder an die ganz leidenschaftlichen Gefühle (alle anderen Songs) erinnert. Mit 19 hat man eben noch Träume, da darf die harte Realität einfach außen vor bleiben.
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Genau das richtige Musik-Mittel eben für den Kurz-Nachmillennium-Zeitgeist, der sich in dem neuen Jahrtausend nach dem Guten und Besseren sehnte. Eine Sehnsucht, die leider anno 2023 nicht nur mit Füßen getreten, sondern auf übelste Weise auch weggebombt oder mithilfe moderner Medien weggemobbt wurde.
Da träumt man nur zu gerne noch ein bisschen mit der guten Katie – und zwar gleich doppelt so lange wie noch vor 20 Jahren, da diesmal zu „Call Off The Search – 20th Anniversary 2LP Reissue“ noch eine zweite LP voller Demo-, aber auch neuen und einer Live-Aufnahme mit dazugehört, die allesamt das Niveau der offiziellen ersten LP zu halten wissen und selbstverständlich erstmals das schwarze Licht der Vinyl-Welt erblicken.
Vielleicht wird man sich gar bei der zweiten Seite der Bonus-LP, wenn man vorher die Titelangaben liest, fragen, ob KATIE MELUA etwa auch ein bis dahin verschwiegener Hardrock-Fan war, wenn sie einen Song namens „Deep Purple“ auf dieser Platte verewigt?
Das war sie keinesfalls, denn hier geht es nicht um die britische Kult-Hardrock-Band, die beispielsweise anhand eines Gitarren-Intros für mehr Rauch überm Wasser sorgten, als man sich dies jemals in der Musik-Geschichte vorstellen konnte, sondern bei Frau Melua darf man verträumt in tiefpurpurnen Songwelten schwelgen, bis dann – wie passend – der live vorgetragene „Anniversary Song“ das Doppel-Album abschließt.
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FAZIT: Als KATIE MELUA vor genau 20 Jahren mit ihren gerade einmal 19 Lenzen und der intensiven Unterstützung durch MIKE BATT „Call Off The Search“ veröffentlichte, waren viele (angeblich unbeabsichtigte) Parallelen zu NORAH JONES in dem Album zu entdecken, das stark vom (Bar-)Jazz, Folk und Blues beeinflusste, gefühlvolle Balladen enthielt. Oft akustisch instrumentiert, aber auch auf Streicher und Bläser zurückgreifend, zog einen die Musik – vorausgesetzt man besaß eine romantische Ader – durchaus in ihren Bann, selbst wenn sie mitunter die eine oder andere zu ruhige Durststrecke aufwies. Für ein Debüt war dieses Melua-Album jedoch mehr als beachtenswert, das nun als um eine LP bzw. CD mit hochwertigen Bonus-Songs erweiterte Geburtstagsedition veröffentlicht wird. Eine ideale Anschaffung für die bevorstehenden Feiertage.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.11.2023
Tim Harries
Katie Melua
Katie Melua, Chris Spedding, Jim Cregan
Mike Batt
Henry Spinetti, Michael Kruk
The Irish Film Orchestra
BMG/ada/Warner
80:32
03.11.2023