„The Gleaners“ bedeutet übersetzt „Die Ährenleser“, meint also in seinem Ursprung eine Gruppe Feldarbeiter, die nach der Ernte übriggebliebene Ähren auflesen. Dem Artwork nach zu urteilen sind diese Ähren im Fall von LO! wohl die Angehörigen der menschlichen Spezies. Denn die vier Schnitter, die auf dem Backcover über das Feld laufen, wirken in dieser Umgebung eher wenig beschäftigt.
Dieses Bild passt aber zum erdrückenden Pessimismus dieser Scheibe. Egal ob in gedrosseltem Tempo oder in Form von gehetzten Hassbatzen wie „Salting the Earth“, LO! machen musikalisch kaum Gefangene und wüten sich aggressiv und gehässig durch ihre Songs.
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Dabei wirkt die Stimmung des Albums trotz ihres grundlegend negativen Charakters doch wie hin- und hergerissen zwischen der Wut auf das Leben und die Welt per se und dem Wunsch danach, dass der Abwärtstrend vielleicht doch nicht der Realität entspricht. Gleichzeitig zeigen Stücke wie der langsam anschwellende Titeltrack, der dank zermürbender Atmosphäre zwischen alles verschlingender Finsternis und bedächtig durchschimmernder Post-Rock-Leichtigkeit ein weites Feld absteckt, dass die Aufgabe der besungenen Feldarbeiter sicher nicht im Einsammeln von unliebsamem Getreide besteht.
Wie eine Schlinge, die sich langsam zuzieht, wirkt die Stimmung des Songs einengend, finster und pessimistisch. Nicht nur dieser Song gleicht einer Tortur, einem irren Zickzackkurs durch sämtliche Negativität die das Gefühlsspektrum des Menschen hergibt. Zwar klingt „Pareidolia“ mit seinem sich wiederholenden Charakter wie eine kleine Verschnaufpause (es ist sogar sowas wie Klargesang zu hören), aber was ist ein möglicher, minimaler Lichtblick wert, wenn er von dem Hassbatzen „Kleptoparasite“ umgehend wieder in kleinste Fetzen gerissen wird?
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Überhaupt leitet dieser Track ein dermaßen zermürbendes Albumfinale ein, dass man sich trotz aller äußeren Umstände und weltlichen Zustände doch fragen könnte, woher die Band diese pessimistische Wut nimmt.
„Cannibal Culture“ ist zähes Chaos, zerrt an den Nerven und schickt sich an, sämtliches Licht (wenn es denn überhaupt noch vorhanden ist) zu fressen, ehe „Mammons Horn“ der abschließende Würgergriff ist.
Langsam schließt sich die Faust um den Hals des Opfers, drückt unerbittlich zu. Musikalisch werden Black Metal, finsterster Doom Metal und eine Riesenportion Pessimismus zusammengerührt. Da kann der atmosphärische Abschluss noch so sanft wirken: Einmal zermürbt, bleibt der Blick auf das Leben eher schwarz verschleiert.
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FAZIT: Auch ohne dass die eingangs erwähnte Analogie zutrifft, vertonen LO! auf „The Gleaners“ puren Pessimismus. Dieses Album zerrt an den Nerven, wirkt aufrüttelnd und intensiv und will niemals angenehm sein. Das ist im angeschwärzt doomigen Hardcore (um den Sound mal grob einzuordnen) aber auch zweitrangig.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.04.2023
Adrian Shapiro
Sam Dillon ,Nick Rackham, Beth Allan
Carl Whitbread
Adrian Griffin
Pelagic Records
41:04
07.04.2023