Es ist kein Geheimnis, dass ein Mike Oldfield schon nach dem ersten Ausflug in die Klassik, nachdem sein Debüt-Album „Tubular Bells“ 1973 alle Rekorde brach, mit der ihm von seinem Label 'aufgezwungenen' Klassikversion „The Orchestral Tubular Bells“ (1975), eingespielt mit dem Royal Philharmonic Orchestra, nie wirklich glücklich war. Zu viel Klassik! Zu wenig Oldfield! Hieraus machte er auch in der Öffentlichkeit später niemals einen Hehl, sondern äußerte sich bedauernd darüber. Genau in dieselbe Klassikfalle tappt nun auch ein weiterer Gitarrist – diesmal aus Österreich – mit seiner „The Freystadt Symphony“.
Sein Name LANVALL, seine Musik ähnlich bombastisch und klassisch aufgeblasen wie bei Oldfields Orchester-Ausflug, nur dass die Grundlage nicht seine eigenen Aufnahmen, sondern ein extra von ihm komponiertes Auftragswerk zu einem Stadtjubiläum ist.
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Der Gitarrist und Keyboarder von den Sympho-Metallisten EDENBRIDGE erhielt 2018 – also zu einer Zeit, als die Welt noch nicht im Pandemie-Modus tickte – den Auftrag, zum 800. Jubiläum der Stadt Freistadt im Jahr 2020 ein symphonisches Werk unter Einbeziehung des Orchesters 'Junge Philharmonie Freistadt' zu komponieren. Begeistert nahm der nicht im Klassischen ausgebildete, sondern ausschließliche Autodidakt – wie er selber in dem kurzen Interview zur DVD betont – diesen Auftrag an und überhebt sich daran, denn am Ende kommt etwas ganz Ähnliches wie bei Oldfield dabei heraus, an dem insgesamt 130 Musiker inklusive Chor beteiligt sind und die Einlagen seiner Band sowie die Gitarrenparts in all dem klassischen Bombast, der sich irgendwo zwischen dem erklärten Lanvall-Vorbild aus Österreich, dem Spätromantiker Anton Bruckner, und dem deutschen Romantiker (der leider auch Hitler-Liebling war, wofür er natürlich gar nichts konnte) Richard Wagner bewegt.
Passend zu den Aufnahmen, die nach all den gigantischen Vorbereitungen, die man ebenfalls im gut 20-minutigen „Making Of“ der DVD begutachten kann (bei dem einige beteiligte Musiker bereits Masken tragen), musste dann die 28 Minuten lange, aus insgesamt 6 Momenten bestehende Symphonie, die geplant im Sommer 2020 uraufgeführt werden sollte, der Pandemie wegen verschoben werden – und zwar bis in den Juni 2022, als endlich die Zeit gekommen war, dieses verspätete Auftragswerk, das sich deutlich an den charakteristischen Klassik-Tendenzen der Spätromantik (riesiges Orchester samt Chor, dramatisch sich steigernde, opernhafte Momente, Ausweitung der Harmonik, Philharmonisches statt spärlich Instrumentierteres usw.) orientiert, uraufzuführen.
LANVALL und seine Band erscheinen bei dieser Uraufführung, die ihren Zweck, den 800. Jahrestag der Stadt Freistadt, die wie auch immer in der Symphony statt des 'i' ein 'y' verpasst bekommt, wie die Zaungäste, denen man gerne mal ein paar E-Gitarren-Momente innerhalb der sechs symphonischen Momente einräumt.
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Ansonsten heißt es, Orchester und Chor in Szene zu setzen. Damit werden garantiert die Fans von EDENBRIDGE ihre völlig berechtigten Probleme haben, auch wenn diese Aufnahmen Erinnerungen an einen ganz anderen Hardrock-Act wecken, der ihres Keyboarders wegen sich eine Zeitlang auch der Kombination von Klassik mit großem Orchester und Hardrock-Gesinnung hingaben, denn in „Movement 2 und 4“ entdeckt man tatsächlich so einige purplesche „April“-Motive. Überhaupt scheint LANVALL sehr den frühen konzertanten 'Rock trifft auf klassisches Orchester'-Ausflügen von DEEP PURPLE unter Federführung von JON LORD, dem maßgeblichen Wegbereiter bei der Vereinigung von Klassik und Rock, nachzueifern, die das allerdings 1970 auf „Concerto For Group And Orchestra“ deutlich besser hinbekamen als der Österreicher.
Auch die Röhren-Glocken („Tubular Bells“) erklingen immer mal wieder, ähnlich wie der eine oder andere Oldfield-trächtige Gitarrenbeitrag, was uns wiederum in orchestrale Tubular-Bells-Gefilde entführt. Melodramatik trifft auf Bombast und ganz viel Pathos...
„Movement 4“ wird so zum düstersten, wagneramischen (Oder Wagner-manischen?) und zugleich hardrockigsten Moment der kompletten Symphonie. Hier lässt sogar die 'Carmina Burana' mit besonders finsteren Chor-Gesängen grüßen. Gemäß dem Dramendreieck aus klassischer wie literarischer Musiksicht wäre hiermit der symphonische Höhepunkt erreicht, sodass sich der „Movement 5“ in winterlicher, etwas dahinplätschernder Art präsentiert, bei dem allerdings nach und nach wiederum eine sich am Ende im Bombast erschöpfende Stimmung aufgebaut wird. Manchmal scheint man gar die Schneeflocken, die im Hintergrund auf der Leinwand dargestellt werden, fallen zu hören. Alle sechs Momente werden durchgängig von zur Musik passenden Foto-Collagen, die auf der Leinwand hinter dem klassisch platzierten Orchester aufgestellt wurde. Die komplette Slideshow zur Musik wurde als Extra zudem der DVD beigefügt.
Die Motive der Slide-Show des Hintergrunds könnte man etwa konzeptionell so einordnen: Intro Sternenhimmel / Stadtmotive / Land(schaft)motive / Natur / Wald / Winter / Historische Gemäuer und Parkanlagen / Outro Sternenhimmel – viele Bilder wiederholen sich allerdings, ähnlich wie sich eben auch die Stimmungen im Rahmen der noch nicht einmal halbstündigen Symphonie wiederholen.
Im sehr kurzen „Movement 6“ bricht dann das große Finale zwischen Orchester, Chor und E-Gitarre an, um wohl noch einmal wenigstens am Ende darauf hinzuweisen, dass ja die ganze Konzert-Geschichte auf einem epischen Hardrocker basiert. Um dem Klang auch den entsprechenden Mix zu verpassen, wurde dann mit GANDALF zwar nicht der Zauberer aus dem 'Herr der Ringe', sondern der österreichische Multiinstrumentalist und Klangzauberer (ebenfalls wie LANVALL reiner Autodidakt), der mit elektronischer Ambient-Musik begann und sich immer mehr der akustischen, aber auch progressiven Musik zuwandte (und ebenfalls auf seinem Album „Erdenklang und Sternentanz“ recht erfolglos mit einem klassischen Wiener Orchester 'experimentierte'), ins Klassik-Boot geholt, wodurch der End-Mix noch eine gehörige voluminös klingende Bombast-Portion aufgeladen bekommt. Aber auch der mitunter verzweifelte Versuch, der Gitarre mehr Klangräume einzuräumen ist durchaus erkennbar, selbst wenn die bei solch riesigem Orchester im Grunde fast immer den kürzeren zieht, so sehr sich LANVALL auch mit all seiner Melodramatik und einen auf ihn gerichteten Extra-Scheinwerfer ins Zeug legt.
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FAZIT: LANVALL, der österreichische Epik-Metal-Rocker von EDENBRIDGE, wagt sich aus Anlass eines Stadtjubiläums mit „The Freystadt Symphony“ auf klassische Pfade. Dummerweise kam für die im Sommer 2020 geplante große Zeremonie die Pandemie dem Vorhaben gehörig in die Quere. Das Projekt wurde deshalb aber nicht unter irgendwelchen FP3-Masken oder zwanghaft verabreichten Impf-Nadeln beerdigt, sondern um zwei Jahre verlegt und im Sommer 2022 in der Messehalle Freistadt vor knapp 1000 Besuchern aufgeführt. Und auch wenn diese DVD+CD-Kombination den Namen des EDENBRIDGE-Gitarristen/Keyboarders trägt, der musikalische Schwerpunkt liegt eindeutig auf der Klassik, aber nicht dem Rock – und auch das Publikum erscheint zwischen den einzelnen Momenten sehr zurückhaltend mit seinem Applaus, weil es wohl rätselt, ob es besser wie bei einem Klassik-Konzert sich 'sittlich zuhörend' zurückhält, statt wie beim Rockkonzert ordentlich mit Druck zu applaudieren. Und dass am Ende dieses Publikum sogar lange Zeit sitzen bleibt und keine oder erst sehr spät zu den Standing Ovations übergeht, ist durchaus auch ein Zeichen dafür, dass sich LANVALL bei seinem Ausflug in die Klassik samt riesigem 130-köpfigem Orchester doch etwas überhoben hat.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.07.2023
Hardchor Linz
Lanvall
Lanvall
Junge Philharmonie Freistadt
Eigenpressung/Just For Kicks
DVD – 79:22 / CD – 27:55
19.05.2023