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Reviews

Local Natives: Time Will Wait For No One

Stil: Art- und Dream-Pop, Shoegaze

Cover: Local Natives: Time Will Wait For No One

Dass man die Zeit nicht aufhalten, geschweige denn zurückdrehen kann, ist zwar keine neue, aber trotzdem – spätestens wenn man sich bewusst macht, wie schnell die Zeit vergeht und man parallel dazu unaufhörlich altert – eine oftmals bittere Erkenntnis. Dass einen auch noch die LOCAL NATIVES mit ihrem Albumtitel „Time Will Wait For No One“ unmittelbar mit der Nase und den Ohren darauf stupsen müssen, ist wirklich nicht gerade freundlich. Da bleibt zu hoffen, dass die Musik einem wenigstens etwas mehr Freude als diese Erkenntnis bereitet. Und genau das tut sie – also verlieren wir keine Zeit, um dieses gelungene, leider aber auch etwas kurz geratene (Hier hätte man gerne mehr Zeit für's Hören erübrigt!) Album auch ordentlich zu würdigen.

Zwar kommt das Art-Pop-Quintett aus dem sonnigen Südkalifornien, doch ihre Musik ist deutlich mehr etwas für die dunkleren Stunden. Hier geht ganz ruhig am Horizont die Sonne unter und langsam der Mond auf, während sich alle Hektik des Tages legt. Kein Bock, bei flirrender Hitze mit einer fetten Kiste über den Wüsten-Highway im Americana-Style zu sausen, sondern lieber ein paar Kerzen in einer romantischen Dream-Pop-Höhle inmitten eines Bergmassivs zu entzünden.

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Die LOCAL NATIVES sind etwas für die ruhigen Stunden, die einem schon langsam auf einen tiefen Schlaf mit schönen Träumen vorbereiten. Sanfte Harmonien und wunderschöne Stimmen streicheln einem die Ohren und auch die Produktion der LP, die noch dazu mit einem großartigen Cover, das im Zentrum komplett ausgestanzt wurde (Ähnlich wie bei dem Käuzchen-Cover von BARCLAY JAMES HARVESTs „Gone To Earth“!), daherkommt, strahlt jede Menge Volumen und Wärme aus, während sich die verspielten Klangeffekte in bester Stereo-Manier zwischen den Boxen mitunter rasante Achterbahnfahrten gönnen.

Doch die Jungs können durchaus auch schneller und flotter, ohne jemals einem die Nerven zu strapazieren, wenn sie den einen oder anderen Song bis in postrockige Höhen treiben oder bei der gelungenen Single-Auskopplung „NYE“ zärtlich aber trotzdem bissig mit dem Post-Punk liebäugeln. Und dass hier ihr Grammy-prämierter Produzent John Congelton durchaus deutlich seinen Einfluss hinterlassen hat, ist mehr als zu vermuten. Denn der hat auch DEATH CAB FOR CUTIE oder ST. VINCENT produziert. In genau diese Kerbe schlagen und musizieren auch LOCAL NATIVES auf „Time Will Wait For No One“. Aber auch von der Hit-Affinität wie ROXY MUSICs „More Than This – ein Song den sie selber schon live und auf einer EP performten – sind die Jungs aus Los Angeles nicht weit entfernt.

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Der südkalifornische Fünfer bezeichnet seine LP selber als ihre 'Metamorphose'-Platte, ausgelöst durch einerseits neue Vaterfreuden einiger Bandmitglieder, aber andererseits auch durch die schweren Zeiten von erzwungener Isolation, Identitätskrisen und Verlusterfahrungen: „Die Höhen und Tiefen, die wir zur gleichen Zeit erlebten, waren so extrem. Es gab einen Moment in der Mitte der Albumproduktion, als wir eines der emotionalsten Konzerte unseres Leben spielten. Eine ausverkaufte Show im Greek Theater in LA, unser erster Auftritt seit fast zwei Jahren, aber wir wussten nicht, wie wir weitermachen sollten. Als Individuen und Band waren wir am Rande des Zusammenbruchs. Die Zeit fließt unkontrolliert weiter, der Wandel ist unerbittlich, und die Menschen, die man liebt, sind die einzigen Konstanten. Aus dieser Erkenntnis heraus lösten wir alles auf, um neu anzufangen, und erlebten die produktivste Zeit des Songwritings in unserer Geschichte. Das ist das erste Kapitel: 'Time Will Wait For No One'.“

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Auf jeden Fall ebnen die LOCAL NATIVES mit diesem 'Ersten Kapitel'-Album einen gelungenen Weg für weitere Kapitel in der zukünftigen Bandbiografie, die übrigens mit dem Titeltrack und der gleichnamigen Zeile beginnt, diese aber mit den optimistischen Worten: „Doch ich werde auf dich warten...“, fortsetzt.

Warten wir also nach diesem gelungenen ersten Musik-Kapitel der LOCAL NATIVES, auf dem sie uns am Ende mit den Worten: „I know our day will come...“, sogar in ihr „Paradise“ entlassen, auf das/die folgende(n). Nach „Time Will Wait For No One“ stehen die Zeichen bestens.

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FAZIT: Das 2005 gegründete südkalifornische Dream-Pop-Quintett LOCAL NATIVES zählt eigentlich schon zu den alte Hasen in einem Musikgeschäft, das neben Art- und Dream-Pop auch gerne Shoegaze-Elemente in seine Musik einfließen lässt, und veröffentlichte seit 2009 bereits mehrere Platten, von denen sie ihre aktuelle LP „Time Will Wait For No One“ selber als ihr 'Metamorphose'-Album bezeichnen, da sich während der drei Jahre, die sie sich für die Veröffentlichung Zeit ließen viel ereignete (Vaterglück, Pandemie, Isolation, Verluste). Diese Einflüsse zwischen Glück, Hoffnung, Trauer, Nachdenklichkeit (oft auch in den ansprechenden Texten zum Ausdruck gebracht) und Melancholie hört man ihrer Musik an, die vorrangig auf die ruhigeren Momente setzt, sich aber auch in postrockig Höhen steigern kann. Zudem beeindruckt die mit einem groß ausgestanzten LP-Cover gestaltete LP und der Innenhülle, auf der alle Texte zu finden sind, wodurch der richtig gute Gesamteindruck hinter dem Album noch bestätigt wird. Eine echt gelungenen Metamorphose.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.07.2023

Tracklist

  1. <b>Seite A</b> (15:39):
  2. Time Will Wait For No One (1:14)
  3. Just Before The Morning (3:34)
  4. Empty Mansions (3:25)
  5. Desert Snow (3:35)
  6. Paper Lanterns (3:51)
  7. <b>Seite B</b> (18:32):
  8. Featherweight (3:34)
  9. Hourglass (3:57)
  10. Ava (3:57)
  11. NYE (3:10)
  12. Paradise (3:54)

Besetzung

  • Bass

    Nik Ewing

  • Gesang

    Kelcey Ayer, Ryan Hahn, Taylor Rice

  • Gitarre

    Ryan Hahn, Taylor Rice

  • Keys

    Kelcey Ayer, Nik Ewing

  • Schlagzeug

    Matthew Frazier

Sonstiges

  • Label

    Loma Vista Recordings/Universal

  • Spieldauer

    34:11

  • Erscheinungsdatum

    07.07.2023

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