<b>„'Classic Rock' ist ein wichtiger Bestandteil der Geschichte des LSO. Die Aufnahmen ermöglichten dem Orchester weltweit ein neues Publikum. Wir haben uns sehr gefreut, dass wir wieder in die Abbey Road Studios gebeten wurden, um die neuen Songs aufzunehmen, und ich hoffe sehr, dass wir den gleichen Erfolg noch einmal haben werden.“</b> (Kathryn McDowell – geschäftsführende Direktorin des LONDON SYMPHONY ORCHESTRA)
Stellt man sich die Frage, welches wohl das 'rockigste' Symphonie-Orchester der Welt ist, wird man ganz schnell auf eine eindeutige Antwort kommen: LONDON SYMPHONY ORCHESTRA.
Die Argumente hierfür sind ebenfalls eindeutig, denn welches Symphonie-Orchester hat (in den Jahren von 1978 bis 1985) bisher schon fünf LP's veröffentlicht, auf denen es ausschließlich klassische Adaptionen von weltberühmten Rock-Songs einspielte, die zudem nicht nur nach kleinen Klassik-Suiten klangen, sondern durchaus einen erheblichen Rock-Anteil auch in der klassischen Umsetzung beibehielten und sogar einige Rockmusiker wie PETE TOWSHEND oder JUSTIN HAYWARD unmittelbar mit einbanden?
Dass sich diese Alben zudem extrem erfolgreich verkauften und den Namen des Orchesters auch in der Rock-Szene, die ja nicht unbedingt für seine Klassik-Affinität bekannt ist, etablierte, waren weitere positive Nebeneffekte dieses 'Klassik goes Rock'-Versuchs. Aber auch umgekehrt offenbarte es der Klassik-Welt, welch unglaubliches Klassik-Potenzial Rockmusik in sich trug – man höre einfach nur mal die Versionen von LED ZEPPELINs „Stairway To Heaven“ oder die „Bohemian Rhapsody“ von QUEEN und PROCOL HARUMs „Nights In White Satin“, dann bekommen solche Songs gleich eine Doppeldeutigkeit, wenn man sie als Klassiker bezeichnet.
In diesem Sinne gibt es auf den Classic-Rock-Alben jede Menge Spannendes und Verblüffendes zu entdecken.
Ganz großartig ist beispielsweise „You Really Got Me“ von den KINKS, welcher vom LONDON SYMPHONY ORCHESTRA als sich langsam steigernder Bolero aufgebaut wird.
„Whole Lotta Love“ von LED ZEPPELIN zieht in dieser ausgezeichnet interpretierten Klassik-Version alle Register zwischen progressiver Rockmusik und rockiger Klassik und beweist, welch klassische Aura (nicht nur) diesem Song innewohnt, während sich DAVID BOWIEs „Life On Mars“ (zu der Bowie selber begeistert feststellte: „Es klingt so groß und großartig!“) als unwiderstehliche Hymne anschließt, die sich von einer ruhigen Ballade zum bombastischen Epos entwickelt.
Und selbst das unvergleichbare Saxophon-Solo von „Baker Street“, das diesen Song in alle Evergreen-Kategorien hob, fehlt nicht.
Oder das verspielte „Space Oddity“, wiederum ein Bowie-Stück der ganz frühen Phase, experimentiert mit improvisiert wirkenden Klängen und Electronics sowie Chorgesängen, dass sich einem der Eindruck aufdrängt, hier hätte ein ZAPPA seine genialen Hände mit im Spiel gehabt.
Ach, das sind allesamt großartige Erinnerungen, die endlich wieder mit „Classic Rock – Renaissance“ zu remastertem Leben erweckt werden und sogar quotentreu ein Cover mit weiblicher Kämpferin sowie ein informatives 16-seitiges Booklet (im vierflügeligen Digipak) verpasst bekommen. Doch das beste sind zudem die sechs völlig neuen Classic-Rock-Stücke, die sich bestens in diese Sammlung einpassen.
Einige der ausgewählten Songs werden allerdings zu sehr in Richtung Klassik gerückt und orchestral aufgeblasen, so dass ihnen des 'Freche' ihrer Ursprungsvisionen etwas abhanden kommt, wie beispielsweise „Paint It Black“ von den ROLLING STONES oder „Layla“ von DEREK & THE DOMINOS, selbst wenn zum Ende hin das Stück noch von einem fragilen Akustik-Gitarre-Einsatz aufgelockert wird, um nicht völlig im orchestralen Bombast unterzugehen, das wie ein dramatisches Beethoven-Stück erscheint. Ähnlich verhält es sich mit „Another Brick In The Wall“, dem die breit aufgestellten Bläser ein wenig den provokanten Zahn ziehen und eher die Tatsache betonen, dass dieser Song eben der eingängigste und radiotauglichste von PINK FLOYD war. „Vienna“ von ULTRAVOX bekommt dagegen genau die melodramatische Stimmung – getragen durch eine Oboe – verpasst, welche diesem großartigen Hit auch innewohnt. Und wenn Herr Townshend auch noch zu melodramatischen Streichersätzen wie im Airplay seine Stimme mit „See me, hear me, touch me...“ erklingen lässt, werden auch alle THE WHO-Fans ihre Klassik-Ader für sich entdecken.
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FAZIT: Wer schon immer daran glaubte, dass seine Lieblingshits der vergangenen 60 Jahre echte Klassiker wären, der erfährt hier die Bestätigung dieser Definition dank des LONDON SYMPHONY ORCHESTRA gleich im doppelten Sinne, denn die begaben sich im Jahr 1978 auf eine musikalische Reise, in der sie als großes Orchester ihre ganz eigenen 'Klassik'-Versionen von großen Rock- und Pop-Hits aufnahmen und diesen zum Glück nie den Rock-Zahn zogen oder ihm ausschließlich eine pure Klassik-Füllung verpassten. Am Ende hinterließen sie dabei in den Jahren von 1978 bis 1985 fünf sehr gelungene 'Classic Rock'-Alben, von denen nun eine 3-CD-Edition voller remasterter Originale veröffentlicht wird. Doch nicht nur das: „Classic Rock – Renaissance“ enthält zudem noch sechs weitere Hits neuerer Aufnahmen, bei denen einen gleich der Album-Opener „Human“ (Original RAG'N'BONE MAN) regelrecht wegbläst. Eine schöne Erinnerung und (vielleicht) Zukunftsmusik zugleich!
Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.03.2023
BMG
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31.03.2023