„Heaving“ geht unter die Haut.
Und das nicht nur im Sinne dessen, dass sich LUCY KRUGER & THE LOST BOYS auch auf diesem Album sehr körperlich inszenieren. Der Körper wird hier zur Kunstform erklärt und trotzdem liegt ein Fokus der Texte auf der Erfahrung und der Faszination von körperlicher Nähe.
Diese Körperlichkeit wird mit Hilfe von pulsierender Elektronik, stellenweise lasziv anmutender Intonation und Texten über Verschmelzung, Vereinigung und verschiedene Arten des Fühlens in Szene gesetzt. Dabei ist die Musik, ebenso wie die eine oder andere Sub-Ebene der Texte, nicht immer angenehm (z.B. in „Howl“).
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Die Stimmung des Albums wirkt wie hin und hergerissen zwischen offensivem Ausdruck (u.a. „Burning Building“) und einer tiefen Innenschau, die in ihrer Verletzlichkeit Züge einer offensiv ausgelebten Selbsttherapie hat. Da verwundert es kaum, dass eine Nummer wie der minimalistische Abschluss „Undress“ nicht nur in Form seines Titels tief blicken lässt.
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In Gänze gleicht dieses Album einem Grenzgang zwischen den Extremen körperlicher Empfindungen und ihrem möglichst unmittelbaren Ausdruck einerseits und dem persönlichen Kampf mit den damit einhergehenden Emotionen andererseits.
Gewissermaßen vertonen LUCY KRUGER & THE LOST BOYS die Rivalität von körperlichem und seelischem Schmerz auf diesem Album, was den unterschwellig präsenten Noise-Charakter nachvollziehbar, aber keineswegs angenehmer macht.
Das ist aber auch nicht der Sinn dieses Albums, denn…
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FAZIT: … „Heaving“ geht nicht nur auf klanglicher Ebene immer wieder unter die Haut. Auch das textliche Konzept und die damit verbundenen Emotionen suhlen sich darin, das eigene Innere nach außen zu kehren. Das schmerzt, das artet immer mal in Kämpfen zwischen Seele und Körper aus. Letztendlich ist es ein Reinigungsprozess, den LUCY KRUGER & THE LOST BOYS hier vertonen. Ob aber am Ende wirklich sauber gemacht wird, ist fraglich…
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.05.2023
Andreas Miranda
Lucy Kruger, Jean-Louise Parker
Liú Mottes, André Leo
Gidon Carmel
Jean-Louise Parker (Violine, Viola)
Unique Records
39:53
07.04.2023