Im erfolgreichen Pop-Duo She & Him gibt Matthew Stephen Ward seit Jahren den etwas kauzigen Impresario im Hintergrund, der die zauberhafte Schauspielern und Sängerin Zooey Deschanel als Frontfrau auf der Bühne und auf gemeinsamen Alben bereitwillig glänzen lässt. Seine Qualitäten als Solo-Künstler lebt der US-Amerikaner unter dem furztrocken abgekürzten Namen M. WARD auf mindestens ebenso starken Platten aus. Dass er auf diesem Wege mit bald 50 Jahren noch zum Superstar werden könnte, muss angesichts des neuen, gleichwohl wiederum brillanten Longplayers "Supernatural Thing" bezweifelt werden. Und es ist auch gar nicht geplant.
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Auf die Frage, ob er nicht doch noch manchmal mit dem großen Ruhm liebäugele, antwortet Ward im "Musikreviews"-Interview in dem ihm eigenen, so freundlichen wie nüchternen Stil: "Überhaupt nicht. Das war nie meine Absicht. Ich habe nichts gegen das gelegentliche Rampenlicht, will aber darin nicht auf Dauer leben." Man glaubt es diesem fantastischen Gitarristen und feinen Sänger sofort. Denn M. WARD, das ist ein sehr individueller "musician's musician", ein Künstler für Kenner, ein Genre-Mixer der besonderen, aber nicht dem Mainstream zugewandten Art.
Auch auf "Supernatural Thing" führt er nun wieder Folkrock, Blues, Alternative-Country, Songwriter-Balladen sowie Fifties- und Sixties-Pop so elegant zusammen, dass es eine pure Freude ist - und doch wird diese hochinteressante Musik wohl ein Fall für die Indierock-Nische bleiben. Gut zu wissen, dass M. Ward damit offenkundig leben kann. "Ich habe da keine besonderen Ziele, außer mit offenem Visier weiter zu tun, was ich tue, um mich zu überraschen – reisen oder mit anderen Sängern arbeiten, mit spanisch- oder französischsprachigen", sagt der 49-Jährige über seine Ambitionen im ausführlichen Face-to-face-Gespräch (endlich mal wieder!) im coolen Berliner Künstlerhotel Michelberger.
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Das notwendige Kleingeld für eine so entspannte Karriereplanung kommt für M. WARD wohl auch weiterhin durch das Projekt She & Him rein: "Es ist möglich, auf beiden Feldern gleichzeitig unterwegs zu sein. Ich liebe das, was Zooey macht – sie ist eine unglaubliche Sängerin und eine große Songwriterin, aber für uns beide ist das Projekt kein Fulltime-Job. Das ist auch der Schlüssel zu seiner Langlebigkeit." Zugleich sei es für ihn "auch mal nett, nicht auf dem Fahrersitz zu sein". Weitere Duo-Platten sind zwar noch nicht konkret geplant, sagt Ward. Aber zumindest so viel verrät er schon mal: "Vermutlich wird die nächste Platte nach dem Beach-Boys-Cover-Projekt wieder eine mit She & Him-Originalen sein."
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Zurück zu "Supernatural Thing", einer Platte, auf die M. WARD zu Recht stolz ist. Auch sie wirkt auf den Hörer wieder wie ein leicht verrauschtes oder vergilbt klingendes Traum-Bild aus lange vergangenen Zeiten. Wie auf dem Meisterwerk "Hold Time" (2009) scheint der Singer-Songwriter aus Portland/Oregon mit seinen Liedern Erinnerungen heraufbeschwören zu wollen. Und tatsächlich: Ausgangspunkt für die neuen Songs war das bereits 18 Jahre zurückliegende Album "Transistor Radio".
Er wollte abermals "Erinnerungen an das Radio in ein Album verwandeln, an das Geheimnis dahinter, auch an die eigene Radio-Faszination“, sagt M. WARD im Interview. "Denn damit begann auch meine erste Beschäftigung mit Musik, so mit acht oder neun Jahren – und die hat mein Leben verändert." Ohnehin gibt es für diesen Musiker "zwischen allen meinen Alben Verbindungen, das ist mir ebenso wichtig wie Verbindungen zwischen den Songs auf einem Album".
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Neben dem tollen Titelsong mit seinen skurrilen Elvis-Presley-Bezügen gehören die beiden Kooperationen mit dem schwedischen Schwestern-Duo Johanna und Klara Soderberg alias First Aid Kit ("Too Young To Die" und "Engine 5") zu den Höhepunkten von "Supernatural Thing". Rockiger fallen "New Kerrang" (gemeinsam mit Scott McMicken von Dr. Dog) und "Mr. Dixon" (eine Verbeugung vor der Blues-Ikone Willie Dixon, zusammen mit Shovels & Rope) aus. Prächtig gelungen sind auch die Ballade "For Good" sowie "Dedication Hour", ein wie aus den 40er oder 50er Jahren herübergeweht klingender Crooner-Track mit Neko Case.
Und da M. WARD seit langem ein Meister der Cover-Version ist, hält er auch dafür zwei aktuelle Beispiele parat: Mit "I Can’t Give Everything Away" transformiert er den allerletzten Song von Bowies Schwangengesang-Album "Blackstar" (2016) in eine bewegende Jazz-Elegie (mit Saxofon von Jim James und Kelly Pratt), im Closer "Story Of An Artist" zollt er dem Songwriter-Sonderling Daniel Johnston Tribut. Beiden gecoverten Künstlern, so unterschiedlich sie auch sind, verdanke er viel, sagt Ward.
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FAZIT: Schön, dass M. WARD durch die kommerziellen Erfolge mit She & Him (beziehungsweise vor einigen Jahren in der All-Star-Band Monsters Of Folk mit Conor Oberst, Jim James und Mike Mogis) sich immer wieder Zeit nehmen kann, um mit weniger lukrativen Solo-Alben seine sehr eigene Klangwelt zu pflegen. Das von diversen Gästen verzierte "Supernatural Thing" brilliert als eines seiner besten, vielfältigsten und komplettesten Werke. Es ist eine Platte über die eigenen Faszination durch das Radio - und durch die Musik an sich: "Warum gibt es sie, welche Bedeutung hat sie? Wichtige Fragen, von denen ich hoffe, dass sie nie ganz beantwortet werden, weil ich so sehr vom Mysterium drumherum fasziniert bin", sagt Ward dazu.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.06.2023
Matt Ward
Matt Ward
Matt Ward
Matt Ward, Gabriel Kahane
Jordan Hudson, Ji Tanzer, Mark Powers
Jim James (Saxofon), Kelly Pratt (Saxofon), Gabriel Kahane (Strings), Johanna Soderberg (Vocals), Klara Soderberg (Vocals), Neko Case (Vocals), Scott McMicken (Vocals), Carrie Ann Hearst (Vocals), Michael Trent (Vocals)
Anti- Records
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23.06.2023