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Manuel Schmid und Marek Arnold: Ziele

Stil: Deutsche Liedermacher, Pop, Artrock

Cover: Manuel Schmid und Marek Arnold: Ziele

Ach ja, die <a href="http://musikreviews.de/reviews/2019/Manuel-Schmid-und-Marek-Arnold/Zeiten/" target="_blank" rel="nofollow">„Zeiten“</a> ändern sich und werden zu „Ziele[n]“. Jedenfalls wenn man sich auf eine erneute deutschsprachige Art-Pop-Reise mit MANUEL SCHMID und MAREK ARNOLD begibt. Doch diese ähneln sich verdächtig – doch leider nicht vorrangig in ihren Stärken, sondern vielmehr den Schwächen von mitunter ins Schlagerhaft abrutschende und poetische Belanglosigkeit…
...Und das beginnt bereits beim Album-Titel!

Warum nur bekomme ich eigentlich schon Bauchschmerzen, wenn ich ein Album in der Hand halte, das sich „Ziele“ nennt?
Irgendwie ist das wohl die alte Lehrerkrankheit, bei der man permanent zugeschissen wird mit 'Ziel'-Stellungen im Lehrplan, im Unterricht, in der Klasse, im Kollegium sowie im herbeigeredeten Großen, was offensichtlich nur das minimale Ganze ist.
All diese jämmerlich eingeforderte Scheiße, die Kultusbediensteten ihre auf Statistiken basierenden Bürokratenstellen sichert, die Basis aber erst ausbremst und dann zerstört, weil die aufgestellten Ziele der oft fachlich unausgebildeten Politologen (auch Kultusminister genannt), die von Schule in etwa so viel Ahnung haben wie eine ehemalige Verteidigungsministerin auf Stöckelschuhen vom Krieg, so überhaupt nicht mit den Erfordernissen der Gegenwart und vor allem der unserer Schüler zusammenpassen wollen. Wir hören dann immer wieder Ziele, Ziele, Ziele und denken Scheiße, Scheiße, Scheiße…

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Ähnliches werden wohl auch einige unter uns denken, wenn sie den auf dem Booklet vermerkten Zusatz von „Ziele“ trauen, dass MANUEL SCHMID und MAREK ARNOLD 'bekannt durch die STERN-COMBO MEISSEN' sind. Denn wenn „Ziele“, trotz des Sängers und Keyboarders MANUEL SCHMID und des ehemaligen Keyboarders MAREK ARNOLD der STERN-COMBO MEISSEN etwas miteinander gemein haben, dann höchstens die Zeit, als sich die ehemalige Artrock-Combo in ihrem Namen von der 'Combo' trennte und den Pop-affinen IC FALKENBERG hinters Mikro und in die Band holten. Und dann natürlich auch noch den einen Bonus-Titel, des an Boni reichen „Ziele“-Albums, der sich neuerdings wieder STERN MEISSEN nennenden und verdächtig nach IC-Zeiten klingenden Band, „Samt in neuen Farben“ ihres 2020er-Albums „Freiheit ist“. Och nö…

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Wer die alten Artrock-Zeiten der SCM auf „Ziele“ sucht, der wird enttäuscht sein, denn er findet diesbezüglich nur noch ganz wenige, aber immerhin doch einige, Ansätze, die noch dazu am stärksten im Bonusteil mit den beiden unter Federführung von MAREK ARNOLD vertretenen Stücken seiner Band CYRIL und seines ARTROCK PROJECTs vertreten sind. Doch auch das wartet gemeinsam mit der Sängerin ZEYNAH eher mit der am 'kuscheligsten' ausgerichteten Art-Pop-Nummer <a href="http://www.musikreviews.de/news/MAREK-ARNOLD-kuendigt-ARTROCK-PROJECT-mit-50-Musikern-an/5090/" target="_blank" rel="nofollow">dieses mit über 50 progressiven Rockern ankündigten Prog-Projekts</a> auf.

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Das Debüt-Album „Zeiten“ schlug 2019 noch einen breiten Bogen rund um Artrock und Pop mit ein paar verträumten Jazz-Sprengseln (Originalton Kollege König: „Gereicht wird gepflegt eingespielter, melodischer Pop mit dezenten Prog- und Jazz-Dreingaben.“), während „Ziele“ sich doch deutlich stärker dem 'Liedermacher'-Pop zuwendet, der stellenweise deutlich ins Schlagerhafte abrutscht, dafür aber sehr viel Markenzeichen noch aus dem Ost-Rock und dem 80er-Jahre-Pop, beispielsweise der Marke MÜNCHNER FREIHEIT oder PURPLE SCHULZ, deren Ameisenarmeen in 'Kleinen Seen' ertranken und sogar auf „Wände aus Papier“ („Du hörst Purples Ameisenarmee und kannst sie versteh'n...“) besungen werden, in sich trägt.

So klingen Musik wie leider auch die Texte größtenteils antiquiert und sich in deutscher Poesie-Biedermeierei verheddernd, dass einem bei den letzten Zeilen des Albums „Werd' dich finden, im Herzen nur, / bin auf dem Weg. / Und ich seh' Dich, die Liebe führt mich, / die Z I E L E, sie sind nun nah...“, im Grunde all das noch einmal bestätigt wird, was einem beim Hören des gesamten „Ziele“-Albums bitterböse aufstößt. Selbst wenn „Ankunft“ eins der musikalisch stärksten Stücke, das zurecht das Album mit vorsichtiger Prog-Attitüde plus starken Keyboard-Beiträgen abschließt, geworden ist.

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Aber es gibt auch ein paar echte Hoffnungsschimmer, die sich allerdings, wie bereits auf dem Vorgänger-Album, immer dann ausbreiten, wenn die ruhigen Balladentöne ohne aufgeblasene Instrumentierung angeschlagen werden und auch der Text – in diesem Falle von MAREK ARNOLD – trotz allen Liebesgeflüsters nicht zu banal floskelt, wie im Falle von „Ich fliege“. Der Song ist eine wunderschöne Ballade geworden, die sich endlich nicht zu offensichtlich den Ostrock- oder NDW-Zeiten der MÜNCHNER FREIHEIT anbiedert. In der Beschränkung auf Piano, Saxofon und Stimme – denn die Schmid-Stimme ist ideal speziell für die ruhigeren Töne geeignet – liegt die Stärke des schwebenden Songs.
Ähnlich verhält es sich mit kurz vor dem offiziellen Ende des Albums (vor den Bonusstücken) befindlichen „Wände aus Papier“, das sich ausschließlich auf Keyboard und Gesang sowie offensichtliche PURPLE SCHULZ-Balladenqualität beschränkt.
Zuvor allerdings weckt irgendwie „In der Mitte der Erde“ kurz Hoffnungen auf eine „Reise zum Mittelpunkt des Menschen“ (Eins der unterschätztesten Alben der STERN-COMBO MEISSEN), doch diese werden zwar mit ein paar progressiven Rhythmen belohnt, aber in puncto besagter Hoffnungen enttäuscht.

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FAZIT: „Ziele“ können erreicht oder verfehlt werden. Nimmt man den auf der Frontseite des „Ziele“-Album von MANUEL SCHMID & MAREK ARNOLD Hinweis, dass beide Musiker aktiv oder ehemals aktiv mit der STERN-COMBO MEISSEN verbunden waren/sind, und erwartet etwas Ähnliches, dann ist das Ziel verfehlt. Die Beiden und eine Schar musikalisch hochkarätiger Gäste frönen auf „Ziele“ deutscher Pop-Musik im DDR- und 80er-Jahre-Stil mit deutschen Texten, denen genau der Pathos anhaftet, dem man oft auch dem DDR-Rock zum Vorwurf machte. Doch damals musst man hinter Mauern so schreiben, die Zeiten sind zum Glück längst vorbei, auch wenn man das bei diesem Album kaum merkt. Ein paar besonders reizvolle Lichtblicke auf „Ziele“ setzt allerdings Gitarrist Martin Fankhänel, zugleich neuer Gitarrero bei SEVEN STEPS TO THE GREEN DOOR, der mit ein paar gelungenen E-Gitarren-Soli dem Album mehr Rock-Appeal verleiht und ein wenig über die viel zu oft ins Schlagerhaft abrutschende Momente hinwegtröstet. Besonders lobenswert sind auch die vielen Bonus-Titel (insgesamt sieben) auf dem Album, bei denen neben ARNOLD & SCHMID auch CYRIL, STERN MEISSEN, das ARTROCK PROJECT und DIRK ZOELLNER erklingen.

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Punkte: 7/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.02.2023

Tracklist

  1. 10 Milliarden Sterne
  2. Ein Leben lang
  3. Lange Tage Schweigen
  4. Fantasie
  5. Fremder Strand
  6. Ich fliege
  7. In der Mitte der Erde
  8. Ziel des Augenblicks
  9. Wände aus Papier
  10. Ankunft
  11. <i>= Bonus =</i>
  12. MANUEL SCHMID Das Paradies
  13. MANUEL SCHMID Worte sind wie Bilder
  14. MANUEL SCHMID mit DIRK ZOELLNER Seelenlieder
  15. MANUEL SCHMID Das Ende vom Lied
  16. CYRIL On Sacred Ground
  17. THE ARTROCK PROJECT feat. ZEYNAH Come Away With Me
  18. STERN MEISSEN Samt in neuen Farben

Besetzung

  • Bass

    Denis Straßburg, Peter Rasym, Laurence Cottle, Axel Schäfer

  • Gesang

    Manuel Schmid, Dirk Zöllner, Larry B., Hannah Gruschwitz, Judith Fißler, Vivien Maurer

  • Gitarre

    Martin Fankhänel, Ralf Dietsch, Marcella Arganese, Martin Schnella, Jane Getter, René Niederwasser

  • Keys

    Marek Arnold, Manuel Schmid, Rainer Oleak, Adam Holzman, Sebastian Düwelt

  • Schlagzeug

    Manuel Humpf, Clemens Litschko, Ulf Reinhardt, Craig Blundell, Frank Schirmer

  • Sonstiges

    Marek Arnold (Saxophon), Ekkehard Dreßler, Martin Schreier (Percussion)

Sonstiges

  • Label

    A&O Records

  • Spieldauer

    73:05

  • Erscheinungsdatum

    30.09.2022

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