Es ist eine absolute Seltenheit, dass einen ein Album von Anfang an gefangen nimmt und dann bis um Ende hin nicht wieder loslässt. „The Art Of Dreaming“ von MARTIN HERZBERG & FELIX RÄUBER ist so eins. Und das liegt nicht nur daran, dass man auf und mit ihm tatsächlich die Kunst des Träumens leben und lieben lernt, sondern speziell daran, dass die beiden mit minimaler Instrumentierung und sphärischer 'Stimmgewalt' maximale Klangeindrücke erreichen und so ihr ganz eigenes Universum schaffen, zu dem sie die universalen Tore für den Hörer weit aufstoßen, sodass sich dieser darin nur fallen lassen braucht. Ganz ähnlich ergeht es allen, denen SIGUR RÓS oder EFTERKLANG diese nordischen Klangwelten erschufen, welchen man sich einfach nicht entziehen kann, weil sie einen in Sounds einbetten, die 'Nicht nach dieser Welt', sondern eher himmlischen Sphären, klingen. Immer schwebt etwas Trauer und noch viel mehr Melancholie in diesen Stücken und wenn man die Augen schließt, entstehen dabei mystische Bilder, die sich zwischen purer Entspannung genauso wie hintergründiger, nicht klar auszumachender Bedrohung bewegen.
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Keine Welt des Schön-, sondern des Einklangs mit sich und der Natur, aber auch den unendliche Weiten des Kosmos. Sowas gelang, wenn überhaupt, doch bisher nur einem BRIAN ENO. Bisher! Denn nun gelingt dies auch den beiden deutschen Klangschmieden und Sound-Zauberern MARTIN HERZBERG & FELIX RÄUBER, die auf „The Art Of Dreaming“ in unendliche (Traum-)Welten abheben und langsam davonschweben – unerreichbar für das menschliche Auge, faszinierend für das menschliche Ohr!
Ideal, dass für genau solch hypnotische Musik ein neues, junges Label geschaffen wurde, welches den passenden Namen 'Neue Meister' trägt und sich dem mutigen musikalischen Anderssein widmet, indem es alle Grenzüberschreitungen zwischen Experimentellem, Neo-Klassik, Elektronischem, Orchestralen, aber auch dem Art Pop Zugewandtem zulässt und fördert. Musik, die zum Träumen und Abschalten oder auch zur Alltagsflucht bestens geeignet ist, dafür aber sich dem Mainstream niemals anbiedert, auch wenn gerade diese Klänge doch Mainstream seien sollten. Nur wer erklärt das einer öffentlich-rechtlichen Radiostation mit öffentlich-rechtlicher Musik-Biedermeierei?
Klar, die spielen viel lieber „Allein, Allein“ von POLARKREIS 18. Das kommt an, war ja auch Vertreter beim ESC und echt radiotauglich. Und wer sich nun fragt: 'Was soll denn dieser Vergleich mit solch einem Album?', der höre einfach mal genauer auf diese charismatische Räuberstimme, die sich in unendliche Höhen zu begeben vermag, und wundere sich, dass sie ihm doch irgendwie bekannt vorkommt. Genau! Denn <a href="https://felixraeuber.com" target="_blank" rel="nofollow">FELIX RÄUBER</a> ist der Sänger von <a href="http://www.polarkreis18.de" target="_blank" rel="nofollow">POLARKREIS 18</a>, die übrigens in ihren Anfangstagen wie eine hochinteressante Musik-Melange aus MUSE und RADIOHEAD klangen (Die Behauptung ist verbrieft, denn <a href="http://www.musikreviews.de/mitarbeiter/19/Thoralf-Ko---Chefredakteur/" target="_blank" rel="nofollow">der Kritiker erlebte vor gut 17 Jahren die Band live in Dresden</a> mit seiner ebenfalls damals begeisterten Tochter und heutigen Musikerin), womit es gar nicht so weit ist bis in die SIGUR RÓS-Welten, die nun aus „The Art Of Dreaming“ erklingen. Räuber selber bezeichnet seinen Stil des Musikmachens als 'Cinematic Pop', womit er genau richtig liegt, denn was dieses Album – das unbedingt auch als grüne Vinyl-Ausgabe genossen werden sollte – beim Hörer auslöst, ist dieser Film im Kopf, der sich – in den unterschiedlichsten Facetten – regelrecht aufdrängt. Da reicht schon das Schließen der Augen und um beim Album-Opener „Stay Here“ zu bleiben, um dann im Sinne des ersten Songs der LP-B-Seite die „Door In My Soul“ zu überschreiten.
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Und dann wäre da noch der gute Räuber-Freund <a href="https://www.martinherzberg.com" target="_blank" rel="nofollow">MARTIN HERZBERG</a>, der bereits im März dieses Jahres <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2023/Martin-Herzberg/Trees/" target="_blank" rel="nofollow">mit seinem Album „Trees“</a>, wie es unser Redakteur Dominik Maier schreibt, „eine Art deutsche Antwort auf LUDOVICO EINAUDIs Musik“, die einem übrigens auch bei diesem Album öfter in den Sinn kommt, veröffentlicht hat. Herzberg, der seine Musik selber als 'zum Davonträumen, zum Nachdenken und sich Dahintreiben lassen' bezeichnet (und damit auch einem YANN TIERSEN ganz nahe kommt), ist Komponist und Pianist, der hohen Wert auf genau die hypnotischen und sphärischen Spannungen legt, wie wir sie von einem BRIAN ENO oder den geloopten Frippertronics eines ROBERT FRIPP kennen. Musik die mehr schwebt als zündet und gerade darum den Hörer mitunter in eine Form der Trance – also in Tag-Traumwelten – versetzt. Genauso wie auf „The Art Of Dreaming“.
Vielleicht werden jetzt einige zurecht einwerfen: 'Na ja, irgendwie klingt das in gewisser Weise aber auch langweilig!' – dem kann nicht widersprochen werden. Dieses Album ist in einem Fluss, einem sehr ruhigen Fluss, das einen, speziell auch durch den Gesang von FELIX RÄUBER, einfach mittreiben und versinken lässt. Eine hohe Kunst, die Musik nur selten in dieser Intensität zu meistern vermag, gerade weil sie eine Stimmung hält, diese aber genau in diesem Rahmen variiert. Und diese Stimmung heißt nun mal 'Die Kunst des Träumens'.
Mithilfe von „The Art Of Dreaming“ sollte das keinerlei Problem mehr sein.
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FAZIT: Bringen wir es einfach in den Worten der beiden Musiker hinter „The Art Of Dreaming“, dem Tasten-Virtuosen MARTIN HERZBERG und dem POLARKREIS-18-Sänger FELIX RÄUBER, zum Ausdruck: „Ihre Musik resultiert in einer reduzierten, wertvollen Klangwelt. Diese Antithese zur Überflussgesellschaft fängt den Cinematic Pop ein und lädt dazu ein, dem Alltag zu entfliehen und sich in Träume zu flüchten.“ Genau diese Absicht meistern die beiden langjährigen Freunde, denen in dieser Kombination ein unglaublich intensives, sehr ruhiges, gar hypnotisches Traum-Album gelingt. Man muss kein Träumer sein, um „The Art Of Dreaming“ zu lieben.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.10.2023
Felix Räuber
Martin Herzberg
Neue Meister/Edel Kultur
42:52
20.10.2023