<b>„Alle Titel auf 'Signature' stehen in einem ganz besonderen Kontext zu mir. Sie sind in der Tat die genaue Beschreibung dessen, wer ich als Mensch bin, was ich im Leben fühle und was meine Ziele sind. Sie sind der Ausdruck meiner verschiedenen Stimmungen...“</b> (Michel Huygen)
Es ist schon eine seltsame Mischung aus elektronischer Musik und Pop sowie Berliner-Schul-Geist und VANGELIS-Affinität, welche diese Huygen-Signatur trägt.
Wahrscheinlich hätte die seit 1976 (anfangs als Trio) existierenden NEURONIUM, die ihre Musik laut Huygen selber als 'Psychotronic Music' bezeichnen, kaum noch jemand auf dem Musik-Radar, wenn nicht MIG music mit zwei sehr überraschenden und wahrhaft interessanten Neuveröffentlichungen älterer Werke um dieses Trio unter Federführung des Belgiers Michel Huygen – als da wären <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2023/Neuronium/The-Harvest-Years--Quasar-2C361--Vuelo-Quimico/" target="_blank" rel="nofollow">„The Harvest Years 'Quasar 2C361' & 'Vuelo Quimico'“</a> und <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2022/Neuronium--Vangelis/In-London--Platinum-Edition/" target="_blank" rel="nofollow">„Neuronium & Vangelis – In London“</a> –, die vordergründig nach der Berliner Schule sowie Vangelis und auch Jean-Michel Jarre klangen, die Freunde elektronischer Musik auf NEURONIUM aufmerksam gemacht hätten. Seit dieser Zusammenarbeit mit VANGELIS – der eine sehr deutliche Prägung für NEURONIUM darstellt – veröffentlicht der Belgier Huygen, dem alsbald seine zwei spanischen Mitstreiter abhanden kamen, fast im Jahrestakt ein elktronisches Album nach dem anderen.
Die beiden frühen Veröffentlichungen waren jedenfalls anregende Entdeckungen, was leider für diesen Huygen-geprägten NEURONIUM-Sampler „Signature“ nicht wirklich gilt, denn hier wird die extrem eingängige, mitunter sehr pop-affine Seite präsentiert, der man durchaus zurecht nicht sonderlich viel Beachtung schenkte und auf der sich Huygen ein wenig wie der deutsche Komponist FRANK DUVAL anhört, weil der Belgier nun Elektronik-Pop (auch mit sogar sakralem ENIGMA-Gesang und vielen weiteren vokalen Beigaben) voller Hit-Appeal produziert. Dabei kommen die krautigen Berliner-Schule-Einflüsse und spannenderen elektronischen Exkurse, die sich häufig in interessanten Longtracks verwirklichten, viel zu kurz. Und die Neugier, die auf den beiden zuvor von MIG wiederveröffentlichten Alben angeregt wurde, ebbt nach dieser einstündigen NEURONIUM-Zusammenstellung, welche zudem auch keine besonders umfangreiche Gestaltung (aufklappbares Digipak ohne Booklet) erhielt, schnell ab.
Natürlich entdecken wir hier weiterhin noch ein paar Stücke, die unter dem Einfluss besagter Kult-Elektroniker wie VANGELIS oder TANGERINE DREAM stehen, aber es mischt sich auch immer mehr ziemlich langweilender, ermüdender Ambient darunter, wie beispielsweise „Momenta Mirabila“, und jede Menge schmalzige Pop-Emotionen.
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Wer also in den 1980er-Jahren den extrem angesagten FRANK DUVAL und seine 'Tatort'-Musik in Richtung „Angel Of Mine“ liebte – und das waren gerade durch die Tatort-Sonntagabend-Kultserie verdammt viele – die kommen plötzlich auch bei NEURONIUM voll auf ihre Kosten, wenn einem sofort bei der dahinschmachtenden Schmalz-Ballade „Orion“ die Lauschlöffel verkleistert werden oder eine ENYA-Atmosphäre verbreitende Nummer wie „Life Is Emotion“ voller Pathos daherkommt, dann aber zum Glück einen überdeutlichen VANGELIS-Schlenker wagt, der das Stück noch rettet.
Dass am Ende von „Signature“ sogar auf „Imaginary Movement 5“ das LONDON SYMPHONY ORCHESTRA zum bombast-klassischen Einsatz kommt und sich ideal als Einschlafhilfe eignet, wenn man nicht zuvor schon eingenickt sein sollte, macht den elektronischen Kraut nicht etwa fett, sondern plustert ihn nur künstlich auf.
Insgesamt entwickelt sich „Signature“ mit seiner viel zu entspannten, oft langweilenden Atmosphäre für alle, deren Aufmerksamkeit durch die viel spannenderen <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2023/Neuronium/The-Harvest-Years--Quasar-2C361--Vuelo-Quimico/" target="_blank" rel="nofollow">„The Harvest Years 'Quasar 2C361' & 'Vuelo Quimico'“</a> und <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2022/Neuronium--Vangelis/In-London--Platinum-Edition/" target="_blank" rel="nofollow">„Neuronium & Vangelis – In London“</a> geweckt worden waren, zur Enttäuschung.
Diejenigen aber, denen besonders entspannende elektronische Musik, wie sie beispielsweise VANGELIS oder RICK WAKEMAN und KITARO während ihrer ausgeprägten Ambient-Phase fabrizierten, und Pop-Electronics der Marke Duval zusagen, die werden viel Freude an dieser Zusammenstellung haben, welche in erster Linie für die Aktivitäten von Michel Huygen und nur in zweiter für die frühen (deutlich kraut-aufregenderen) NEURONIUM-Werke steht.
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FAZIT: Liest man auf diesem von seiner Cover-Gestaltung her an Herrn Oldfield erinnerndem Sampler den Namen des belgisch-spanischen Electronic-Trios den Namen NEURONIUM, dann werden angenehme Erinnerungen an die 'Berliner Schulzeiten' der vorausgegangenen beiden MIG-Veröffentlichungen geweckt, die sich leider auf „Signature“ kaum noch entfalten dürfen. Vielmehr ist diese Zusammenstellung ausschließlich vom Belgier Huygen geprägt, weswegen sie auch den Untertitel „Michel Huygen's Music World“ erhielt. Eine Welt, die leider vorrangig von ermüdenden Electronics, Ambient, ab und zu mal VANGELIS und TANGERINE DREAM und viel zu oft pop-affinen Ausflügen der Marke FRANK DUVAL, bei denen oft auch mit Gesang gearbeitet wird, geprägt ist. Kein wirklicher Genuss für Berliner-Elektronik-Feinschmecker.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.09.2023
Michel Huygen
MIG music
63:37
25.08.2023