Es ist immer wieder ein gewagtes Unterfangen, wenn man sich als Musiker seinen 'alten Helden' zuwendet, um diese in Form einer Cover-Platte ehren zu wollen. Gerade erst hat sich – auch wenn das der 'Rolling Stone' völlig anders sieht – ein BRUCE SPRINGSTEEN mit seinen Soul-Cover-Versionen großartiger Motown- sowie anderer Soul-Klassiker auf „Only The Strong Survive“ gänzlich überhoben und uns statt auf seine Stärken auf all seine Schwächen hingewiesen. Springsteen ist eben doch 'nur' der Kult-Rocker, der den Soul tatsächlich besser denen überlassen sollte, die sich in diesem Genre auch heimisch fühlen.
Fast zeitgleich zu den 'starken Überlebenden' zieht nun der Schweizer PHILIPP FANKHAUSER mit seiner Hommage an den weltberühmten, 1997 im Alter von 60 Jahren verstorbenen amerikanischen Blues-Barden JOHNNY COPELAND unter dem LP-Titel „Heebie Jeebies – The Early Songs Of Johnny Copeland“ nach.
Und was Fankhauser hier zu bieten hat, ist besser als das, was uns THE BOSS in seiner Soul-Affinität verkaufen will. Vielleicht liegt es ja daran, dass den Schweizer Sänger und Gitarristen eine innige Freundschaft mit Copeland, der zugleich sein früherer Mentor war, verband und diese Beziehung und das Einander-Verstehen in dem ehrenvollen und würdigen Umgang mit den Originalen unüberhörbar auf „Heebie Jeebies – The Early Songs Of Johnny Copeland“ zum Ausdruck kommt.
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Man spürt – im Gegensatz zu Springsteen – bei Fankhauser, wie viel Leben in den von ihm gecoverten Songs ist, weil er diesen sein eigenes interpretatorisches Leben verleiht, wobei er sehr gezielt seine Auswahl zusammenstellte: „Aus der riesigen Menge Songs, die Johnny in der Zeit schrieb, habe ich dreizehn ausgewählt. Nicht alle sind grad nur fröhlich, aber das sind meine liebsten Songs. Und das soulige Gefühl des Blues, oder das bluesige Gefühl des Souls ist auch in ihnen unschwer auszumachen.“
Stimmungsvoll geht es schon mit dem beschwingt-lustigen Titelsong los und endet auf der LP-A-Seite nach der großartigen blues-jazzigen Ballade „Every Dog's Got His Day“ mit dem Wohlfühl-Song „Hurt Hurt Hurt“, auch wenn der von seinem Titel her so extrem schmerzhaft klingt wie die darin besungene Trennung.
Ganz ähnlich geht es auf der LP-B-Seite weiter und bei all den Ohrwurm-Melodien wird einem klar, welche Faszination hinter diesen Kompositionen von Johnny Copeland liegt, die durch PHILIPP FANKHAUSER noch einmal ihre ganze Schönheit entfalten dürfen.
In dem der LP extra beigelegten Textblatt darf man zusätzlich alle Texte mitlesen, die viel emotionale Tiefe, aber auch humorvolle Leichtigkeit in sich bergen, während auf der Rückseite des LP-Covers Fankhauser zudem erzählt, wie es zur Begegnung zwischen ihm und dem von ihm so hochverehrten Blues-Gitarristen kam und wie er seinen Tod erlebte: „Durch eine glückliche Fügung sollte ich im Jahr 1993 in der Schweiz ein paar Konzerte buchen, bei welchen Johnny Copeland in meiner Band als Gastmusiker dabei sein würde. Das war für mich die Gelegenheit, ihn näher kennen zu lernen und eine gewisse Nähe und Vertrauen zu ihm aufzubauen. So kam es, dass Johnny mich 1994 einlud, mit ihm und seiner Band ein paar Wochen durch die USA zu touren. Ich kann kaum in Worte fassen, was das mit mir gemacht hat: es haben sich mir komplett neue Perspektiven, ganz neue, erweiterte Sichtweisen und ein komplett neues Verständnis für die Bluesmusik und ihre Erfinder, ihre Pioniere, ermöglicht. Unsäglich wertvoll war diese Zeit und unbezahlbar! Aus wenigen Wochen wurden acht Jahre. Ich war dabei, als wir Johnny mit gerade mal sechzig Jahren 1997 beerdigen mussten. Mehrere Operationen am offenen Herzen hat er nicht überlebt.“
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Besonders beeindruckend ist auch die Entstehung des Albums im Studio, welches in diesem Falle das extra für die Aufnahmen geschlossene Hotel Giessbach in Brienz war. Hier konnte sich die Band komplett für eine Woche zurückziehen und im 'Salon Davinet' proben und aufnehmen. Das Ergebnis ist jedenfalls schwer beeindruckend und man spürt regelrecht die Hotel- und Bar-Atmosphäre mit all ihrer Wärme und Gemütlichkeit, die einem aus dem gesamten Album entgegenschlägt. Oder um es aus Fankenhausers Munde zu hören: „Ich liebe es, mit meinen Musikern zu arbeiten – live auf der Bühne oder live im Studio. Es ist nicht jedermanns Sache, einen gewissen Fatalismus mit mir zu teilen. Ohne eine Veränderung der Raumakustik vorzunehmen und auch ohne Abtrennungen, also eher wie an einem Konzert, haben wir unser Instrumentarium im 'Salon Davinet' im 'Giessbach' aufgestellt und nach zwei Tagen Proben, haben wir die 13 Songs zusammen eingespielt. Einen Take, manchmal zwei oder drei. Ein bisschen wie früher!“
FAZIT: „Heebie Jeebies – The Early Songs Of Johnny Copeland“ ist eine Hommage und zugleich tiefe Verbeugung des Schweizer Sängers und Gitarristen PHILIPP FANKHAUSER vor seinem Mentor, Vorbild und viel zu früh verstorbenem Freund JOHNNY COPELAND, von dem Fankhauser für diese LP insgesamt 13 seiner früheren Songs auswählte und diese auf seine (Eigen-)Art coverte. Copeland wäre sicher begeistert gewesen – wir sind es auch. Da könnte sich ein Herr Springsteen nach seinen holprigen Soul-Covern gerne eine Scheibe abschneiden.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.01.2023
Andrew Tolman
Philipp Fankhauser
Philipp Fankhauser, Marco Jencarelli
Hendrix Ackle
Richard Spooner
Daniel Durrer (Saxophone), Lesley Bogaert, Lucky Wüthrich (Hintergrundgesang)
Funk House Blues Productions/Membran
38:13
13.01.2023