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Rancid: Tomorrow Never Comes

Stil: Punkrock

Cover: Rancid: Tomorrow Never Comes

<img src="https://vg04.met.vgwort.de/na/09da2d60ea80420fb50f69c7ff4923b9" width="1" height="1" alt="">Irgendwo unter einem Musikvideo oder einer der vielen Reactions, die heutzutage bereits wenige Tage nach einem Release im Netz erscheinen, schrieb ein Nutzer in die Kommentare, dass das, was auf dem neuen Album dieser Punkrock-Routineers geschehe, zwar einfach klinge, aber überhaupt nicht einfach sei. Dem ist zuzustimmen. Wie straff, schnörkellos und auf den Punkt hier das treibende Schlagzeug, der hervorragend Slalom fahrende Bass und die Gitarrenarbeit mit genau dem richtigen Maß an kleinen, akzentuierten Soli zusammenkommen – das zeugt einerseits von Jahrzehnten der Erfahrung und andererseits von neu gefundener Energie. Schon der Opener und Titelsong der Platte gibt in diesem Sinne die Richtung vor. Die Strophen eher halb gebellt, stürzt sich der Refrain in eine Hookline, die von mehreren Kehlen einerseits gesungen wird wie an einem sonnigen Neunzigerjahre-Nachmittag auf der Warped Tour und andererseits kehlig gegröhlt wie beim Aufeinandertreffen zweier rivalisierender Fußballbanden.

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Glück. Euphorie. Liebesbekundungen. „Das beste Album seit 2000“ schreibt jemand bei YouTube. Ein anderer bescheinigt dem neuen Material „maximus awesomeness“. Die professionellen Reactor, Album-Ranker und Videokritiker finden ebenfalls meist Lob und Achtung. Rancid sind viele Wege gegangen seit ihrer Gründung zu einer Zeit, in der Windows 3.1 noch Zukunftsmusik war, und keiner davon führte sie qualitativ auf völlig abgründige Wege. Dieses Alterswerk allerdings klingt tatsächlich so, wie sich ein Trip mit alten Schulfreunden nach Amsterdam anfühlt, auf dem endlich wieder alles den Vibe der eigenen Zwanziger hat und das Dosenbier in der Seitentasche die ganze Nacht kühl bleibt, während das Licht der Laternen und Altbauten auf dem Wasser der Grachten glitzert. Da rumpelt einem der „Devil In Disguise“ mit dem angetrunkenen Hafenarbeiter-Rotz von Streetpunk-Legenden wie den Reducers SF entgegen, gemischt mit einem Schuss Folkpunk a’la Swingin‘ Utters und eben jener garstigen Griffigkeit, wie sie nur in den kalifornischen Hauptquartieren der Epitaph-Records-Familie entsteht. Da kriegt man eine so schlichte wie zwingende Melodie wie die von „The Bloody And Violent History“ nicht mehr aus der Birne.

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Wer das Haar in der kernigen Suppe suchen möchte, mag einwenden, dass dem Album der Abwechslungsreichtum fehlt. Wäre die Band einst ohne ihre Ska-Anteile und die fluffige Flexibilität zur Legende geworden? Aus dem gleichen Grund lässt sich vor diesem Brett aber auch der Schlapphut ziehen, ob des Mutes zu kompromissloser Schnörkellosigkeit.

FAZIT: Was für in die Jahre gekommene Altbauten ebenso gilt wie für vollendete Literatur im Stile eines Ernest Hemingway, darf auch und gerade auf den Punkrock angewendet werden – ab und zu ist eine Entkernung zielführend. In diesem Sinne haben Rancid ganze Arbeit geleistet und einen Kranz von Brettern geschrieben, deren Ohrwurmqualität zwar changiert, alles in allem aber das Durchhören in einem Rutsch ohne echten Ausfall möglich macht.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.08.2023

Tracklist

  1. Tomorrow Never Comes
  2. Mud, Blood & Gold
  3. Devil In Disgues
  4. New American
  5. The Bloody & Violent History
  6. Don't Make Me Do It
  7. It's A Road To Righteousness
  8. Live Forever
  9. Drop Dead Inn
  10. Prisoners Song
  11. Magnificent Rogue
  12. One Way Ticket
  13. Hellbound Train
  14. Eddie The Butcher
  15. Hear Us Out
  16. When The Smoke Clears

Besetzung

  • Bass

    Matt Freeman

  • Gesang

    Tim Armstrong, Lars Frederiksen, Matt Freeman

  • Gitarre

    Tim Armstrong, Lars Frederiksen

  • Schlagzeug

    Branden Steineckert

Sonstiges

  • Label

    Hellcat / Indigo

  • Spieldauer

    28:53

  • Erscheinungsdatum

    02.06.2023

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