Selbst wenn uns der Bandname etwas Anderes offeriert, RETREAT FROM MOSCOW kommen nicht etwa aus Russland, sondern sind eine richtig gute und durchaus typisch britische Progressive-Rock-Band, deren breit aufgestellter Sound, bei dem auch Flöten oder Pedal Steel sowie E-Bow auftauchen dürfen, an BIG BIG TRAIN oder MARILLION und PROCOL HARUM sowie RICK WAKEMAN erinnern. Es geht sehr melodisch bei den vier Jungs, denen das musikalische Moskau am Herzen liegt, zu, die ihrem 2021er-Debüt-Album „The World As We Knew It“, an dem sie angeblich 40 Jahre gewerkelt haben, nun in Rekord-Zeit nur zwei Jahre später „Dreams, Myths And Machines“ folgen lassen.
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Neben den oft eingängigen Melodien, welche die 9 Songs von oft erheblicher Länge prägen, spielt zugleich eine gehörige Portion Bombast eine wichtige Rolle. Bei „Flowerbride“ fühlt man sich gar an die „Dogs Of War“ vom ersten PINK FLOYD-Album ohne Waters erinnert, aber auch GENESIS oder andere Vertreter des geheiligten Prog-Universums klingen immer wieder mit durch.
Der „Running Man“ huldigt beispielsweise dem Hardrock voller Orgel-Einlagen in DEEP PURPLEscher Prägung und das Textkonzept des gesamten Albums dreht sich um keltische Mythen von Griechenland bis Wales, genauso wie um die Vorausschau in eine finstere – von Maschinen bestimmte – Zukunft und weitere problematische Themen wie dem Kolonialismus oder die freigesetzten Ängste in einem immer stärker erkaltendem sozialen Umfeld.
Zur Umsetzung ihrer musikalischen Konzepte konnten RETREAT FROM MOSCOW als Unterstützung zudem sehr namhafte Musiker-Kollegen wie beispielsweise den THE TANGENT-Kopf Andy Tillison (Orgel und weitere Keyboards) für den fast viertelstündigen Longtrack „The Machine Stops“ und den COSMOGRAF-Gitarristen Robin Armstrong, der auf „Windchill“ ein beeindruckendes Gitarren-Solo beisteuert, gewinnen. Beide prägen die Songs deutlich in Richtung ihrer Stammbands – und das will natürlich für die Freunde besagter Bands so einiges heißen.
Insgesamt aber dominiert der Melodic-Prog auf „Dreams, Myths And Machines“, bei dem die oftmals sehr kritischen, mitunter dystopischen Texte eine bedeutende Rolle spielen, weswegen dem hübsch gestalteten (einen etwas an RICK WAKEMANs „The Myths And Legends Of King Arthur And The Knights Of The Round Table“ erinnernden) Digipak-Cover ein 12-seitiges Booklet mit allen Lyrics und vielen kunstvoll gestalteten Fotos beigefügt wurde.
Mit dem fast 10 Minuten langen „DNA“ geht das zweite Album von RETREAT FROM MOSCOW auf beeindruckende Weise zu Ende, indem es hardrockende, wiederum deutlich an DEEP PURPLE orientierte Elemente mit Flöten und progressiven Traumwelten in Richtung GENESIS kombiniert, die im Falle des aufgeworfenen Themas bestens miteinander harmonieren: „Gonna be high when you've fallen / Head in the sky with nothing left to ground...“
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FAZIT: Für ihr erstes Album ließen sich RETREAT FROM MOSCOW aus England etwa 40 Jahre Zeit, ihr zweites „Dreams, Myths And Machines“ folgt diesem schon knapp zwei Jahre später und bedient alle Freunde, denen symphonischer und melodischer Progressive Rock samt 70er-Jahre-Hardrock-Ausflügen zusagt.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.09.2023
Tony Lewis
John Harris, Jillian Slade
John Harris, Andrew Raymond, Robin Armstrong
Andrew Raymond, John Harris, Andy Tillison, Pete Kirby
Greg Haver
John Harris (Flöte, E-Bow)
Eigenproduktion/Just For Kicks
75:34
18.08.2023